Das Ende einer Zaun-Karriere

■ Abschied vom Bauzaun in Wackersdorf - er ruhe in Frieden!

Nürnberg (taz) - Nie mehr wird er „schon allein durch seinen Anblick Demonstranten zu Gewalttätigkeiten neigen“ lassen. Nie mehr wird er Gerichte beim Begründen von Demonstrationsverboten derart kreativ werden lassen, daß sie den Begriff der „emotionsbestimmten Ausschreitungsgefahr“ prägten. 4.850 Meter lang, drei Meter hoch, unten Beton oben Nato-Draht, 28 Millionen DM Kosten, 100 Jahre Garantie beste Voraussetzungen also für eine Zaun-Karriere.

Staatliche Protektion war dem Zaun der Superlative in Wackersdorf schon von Geburt an gewiß. Der Freistaat schützte ihn mit allem, was er hatte: Polizeiarmeen, Hubschrauber, Hunde, Knüppel, CN- und CS-Gas in rauhen Mengen. Trotzdem klafften immer wieder Löcher in dem Stahlgeflecht. Jetzt, kurz vor seinem vierjährigen Geburtstag, ist das langsame Sterben des WAA-Symbols unaufhaltsam.

30.000 Kubikmeter Stahlbetonplatten werden derzeit respektlos zu Granulat zerkleinert. 1.600 Tonnen Stahl der Güteklasse St52 müssen zwischengelagert werden wegen derzeit niedriger Schrottpreise. Die Ökonomie hat gesiegt. Die moderne Form der Arbeitsbeschaffung heißt nicht mehr nur Löcher ausheben und wieder zuschütten. Dreifachverwertung ist das Zauberwort, und Firmenchef Anton Schöberger wird seitdem in der Oberpfalz nurmehr „Zaunkönig“ genannt. Seine Firma hat an dem aus Steuergeldern finanzierten Zaun optimal verdient: am Aufbau, am Abriß und zusätzlich am Verkauf der Souvenirs - und die sind heiß begehrt.

Zuletzt wurde noch am vergangenen Wochenende bei Mondenschein am Zaun illegal gesägt. Die Polizei kündigte daraufhin unerbittliche Härte gegen diese Leichenfledderei an. Ein besonderes großes Souvenir will sich aber der Chemiemulti Hoechst sichern. Ganze 2,5 Kilometer will er kaufen, hüllt sich jedoch über den Verwendungszweck in Schweigen. Ob der Zaun doch noch mal Emotionen wecken darf? Er ruhe in Frieden.

Bernd Siegler