Kohl, Thatcher und Polens Grenze

■ Zwei Regierungschefs streiten um gehörte und ungehörte Zitate / Kohl dementiert sein: „Ich garantiere nichts“

Berlin (taz) - Wenn die britische Premierministerin Thatcher Bundeskanzler Kohl wörtlich zitiert, der Bundeskanzler jedoch umgehend diese Aussage dementieren läßt - wer sagt dann wohl die Wahrheit? Die Premierministerin hatte sich in einem am Montag veröffentlichten - selbstverständlich autorisierten - 'Spiegel'-Interview erinnert: „Ich habe Helmut sagen hören: 'Nein, ich garantiere nichts, ich erkenne die gegenwärtigen Grenzen nicht an‘.“ Frau Thatcher hat das „selber gehört, in Straßburg nach dem Abendessen“. Und sie „wußte, daß Herr Genscher anderer Ansicht war“. Und weil sie das „in Ordnung“ bringen wollte, hat sie es Außenminister Genscher, sobald dieser nach London kam, „natürlich sofort gesagt“. Der Bundeskanzler ließ seinen Regierungssprecher Klein am Montag umgehend erklären, dieses Zitat stamme aus einem vertraulichen Kamingespräch mit den Staats- und Regierungschefs der EG und sei „weder wörtlich noch sinngemäß richtig“. Thatcher-Zitat und Kohl-Dementi hatten unterdessen auch in Großbritannien für Aufmerksamkeit gesorgt. Am Montag abend nahm überraschend ein britischer Regierungssprecher dazu Stellung und sagte, Frau Thatchers Äußerungen seien vom 'Spiegel‘ „korrekt“ wiedergegeben worden. Dies gelte „trotz des Dementis von Herrn Kohl“. Kommentare zu Teilen des Interviews lehnte der britische Regierungssprecher ab. Diese, immerhin offizielle Stellungnahme wurde am Dienstag von den britischen Zeitungen zitiert. Auf die Frage, ob der Bundeskanzler eine Erklärung dafür habe, weshalb die britische Premierministerin die Äußerung Kohls in Straßburg derart mißverstanden haben könnte, antwortete Regierungssprecher Klein am Montag, „die Frage müßte an Frau Thatcher gerichtet werden“. Zur Klärung dieses Punktes wird der Bundeskanzler schon am kommenden Freitag selbst Gelegenheit haben, wenn er mit der britischen Premierministerin in Cambridge zusammentrifft. Klein bekundete jedenfalls, daß sich an dieser Planung nichts geändert habe..

Jon