Der „kaicho“ von Nissan

■ Regierungskritiker Takashi Ishihara (78) ist Präsident des zweitgrößten japanischen Automobilherstellers

1932 rollte der erste Datsun-Nissan mit einer Spitzengeschwindigkeit von 65 Stundenkilometern durch Tokios Straßen. Fünf Jahre später trat Takashi Ishihara, Jahrgang 1912, gleich nach seinem Studium an der nordjapanischen Tohuko-Universität seinen Dienst bei Nissan an - der Firma, die die Massenproduktion von Autos erfand. 1990 zählt Ishihara neben Sony-Chef Akio Morita zu den wenigen international bekannten japanischen Wirtschaftslenkern. Er gilt als Urtyp der erfolgreichen japanischen Unternehmensmanager der Nachkriegszeit.

1978 übernahm Ishihara als shatcho, als Chefmanager, die Leitung von Nissan. Damit dirigiert er Nippons zweitstärksten Autohersteller mit einem Binnenmarktanteil von 21,7 Prozent (1988), während es die Konkurrenten Toyota auf 35,8 und Honda auf 13,2 Prozent bringen. In der Weltrangliste der Autoproduzenten steht Nissan heute auf dem achten Platz.

Im letzten ausgewiesenen Finanzjahr, 1987, verzeichnete Nissan einen Umsatz von 25,7 Milliarden Dollar und liegt damit und mit seinen 105.000 Beschäftigten an 24. Stelle unter den größten Unternehmen der Welt.

Nicht immer ging es Nissan so gut wie heute. Aufgrund eines veralteten Modellangebots hatte Konzernlenker Ishihara zu Beginn der achtziger Jahre eine schwere Zeit zu überbrücken. Zudem mußte die Fehlentscheidung wiedergutgemacht werden, den Markennamen in den USA von Datsun auf Nissan zu wechseln, was in den USA erhebliche Verkaufseinbußen zur Folge hatte. Kurz, die direkten Konkurrenten Toyota und Honda drohten Nissan davonzulaufen. Abhilfe brachte eine schmerzliche Roßkur nach japanischem Maß. Ishihara kürzte die Nissan-Lohnkosten: Je höher das Gehalt, desto höher war auch die prozentuale Lohnstreichung.

Seit 1985 steht Nissan wieder ganz vorn. Die neuen Modelle schlugen im japanischen Markt ein, und in Europa wurde der inzwischen in England hergestellte Nissan Bluebird zum Erfolgsrenner. Von 1986 auf 1987 erreichte Nissan eine Steigerung der Einnahmen von 49,2 Prozent.

Takashi Ishihara konnte 1985 beruhigt den Posten des shatcho abgeben und sich auf den Präsidentenstuhl von Nissan zurückziehen. Als kaicho, als Präsident, bleibt er freilich höchster Repräsentant seines Unternehmens und ist verantwortlich für die allgemeine Nissan-Strategie.

Anders als in Europa und den USA kann das hohe Alter seinen Einfluß in Japan nur mehren. Seit 1985 sitzt Ishihara auch dem zweistärksten japanischen Arbeitgeberverband, dem Keizaidoyukai, vor, der zusammen mit der Konkurrenzorganisation Keidanren großen Einfluß auf die japanische Wirtschafts- und Finanzpolitik ausübt. Seine Renommee verdankt Ishihara jedoch nicht nur der eigenen Spitzenposition. Insbesondere in den letzten Jahren wartete der „offensive Ishihara“ - so sein Firmenspitzname - mit Stellungnahmen auf, die weniger Betuchten in Japan Amt und Würde gekostet hätten.

Der Nissan-Chef forderte den Rücktritt von Premierminister Takeshita, als dessen Verwicklungen in den Recruit -Bestechungsskandal bekannt wurden. Ishihara beklagte sich über die „menschenunwürdige“ Reaktion der japanischen Regierung auf die Ereignisse am Tiananmen-Platz in Peking, und er kritisierte wiederholt - freilich unter seinesgleichen allein auf weiter Flur - die „Armut der japanischen Diplomatie“.

Zu den japanischen Parlamentswahlen im Februar 1990 schwieg Ishihara. Weil er das Regierungsprogramm der sozialistischen Oppositionspartei für uneinschätzbar hielt, wollte er nicht dazu beitragen, den regierenden Liberaldemokraten Stimmenverluste zuzufügen. Erstmals äußert sich Ishihara hier zu den Perspektiven der japanisch-europäischen Wirtschaftsbeziehungen.

gb