Der Schwermacher

■ Inszeniert „Fortschritt“ von Doug Loucie am Schauspielhaus: Roland Schäfer

Im dunkelsten Winkel des morgenlichtgefluteten Casablanca, den Kopf schwer in die Hand gestützt, ein bißchen wie Maximilian Schell, nur mit fischgrauen Augen, treffe ich neben seinem Dramaturgen Joachim Johannsen den Regisseur. Dem ist heut‘ das Leben schwör: Die Berichterstatterin kommt zu spät, um 11 Uhr ist Generalprobe, und in der 'Dispositionssitzung‘ hat er gerade erfahren, daß seine Inszenierung „Fortschritt“ nach der Premiere am Donnerstag, das ist heute, im April ca. 5 mal, im Mai 3 mal gespielt wird. Alles „Sachzwang“, aber niederschmetternd. Ein Stück, das, wie er meint, ein Renner werden könnte, wenn die

SchauspielerInnen sich in Rhythmus spielen könnten. Schwierig, wenn nach der Premiere aus Sachzwang kaum noch gespielt werde. Das Ensemble ist empört und hat einen Protestbrief formuliert.

Dabei war es auch vorher alles nicht so einfach. Das Stück ist so ausgesucht, daß es neben der seit Januar geprobten großen Shakespeare-Inszenierung Andras Fricsays besetzbar ist, ein Ensemble, das sich noch nicht kennt, zuletzt Probenausfall wegen Probenunfall. Roland Schäfer meint, gerade aus den heftigen Reibungen im Ensemble einen Zusammenhalt und ein Stück geschmiedet zu haben, das sich sehen lassen kann. Daß es dann aber auch soll.

Kein Leichtnehmer, eher ein Schwermacher, scheint mir. Er ist seit fünf Jahren Schauspieler an der Berliner Schaubühne, spielt im Moment in Grübers Labiche -Inszenierung, in Tschechows Drei Schwestern und im Kirschgarten den Jascha. Wenn er nicht, wie seit Februar in Bremen, sich als Regisseur erprobt. Mit dem Stück des Engländers Dough Loucie um Will (Thomas Meinhardt), den channel 4-Redakteur mit dem sozialen Helfer-Syndrom. Eine „social comedy“, bei der am Ende all die Bindungs-und Repressionsbefreiten als Vereinsamte zurückbleiben und der Helfer als sich selbst gegenüber hilflos. Ein Stück schwuler

und heterosexueller Männerwelt, wo die meisten Frauen draußen im Off bleiben, bis auf eine 'emanzipierte Frau‘. Die ist allerdings so beschaffen, daß Regisseur und Dramaturg Pausendiskussionen über Frauenfeindlichkeit heraufziehen sehen. Kein Stück über 68, aber schon über das Scheitern des Sets an Hoffnungen, das damals in die Welt gesetzt wurde.

Schäfer, nicht speziell hingerissen von dem pragmatisch ausgewählten Stück, hat es ernstgenommen, will es als Farce machen. Farce, wie geht das? „Ich gehe da erstmal mit sturem deutschen Ernst ran,“ sagt der Schwermacher und beruft sich auf Woody Allen, „ich nehme das schwer ernst, nur so kann Komödie entstehen. Nachdem ich es belastet habe, mit allem was ich darin unterbringen kann, versuche ich es wieder leichter zu machen.“

Uta Stolle