„Unverzüglich“

Die SPD und das kommunale AusländerInnenwahlrecht  ■  K O M M E N T A R

„Unverzüglich“ sollte das kommunale Wahlrecht für ImmigrantInnen in West-Berlin eingeführt werden - so schrieben es AL und SPD in grauen Vorzeiten in die Koalitionsvereinbarungen. „Unverzüglich“ kommt im Wörterbuch gleich hinter „unverzagt“ und bedeutet zu deutsch: ohne Verzug, sofort, sogleich. Auf sozialdemokratisch heißt „unverzüglich“: eigentlich schon, aber nicht jetzt.

Die Vertagung der Einführung des kommunalen AusländerInnenwahlrechts ist mehr als die typische SPD-Angst vor der eigenen Courage. Sie ist auch Ausdruck fataler Blindheit und Ignoranz gegenüber dem zunehmenden Ausländerhaß in dieser Stadt - hüben und drüben. Den hält die SPD offensichtlich für so nebensächlich, daß sie anstelle eines politischen Signals lieber die politische Verantwortung den Karlsruher Richtern an die Robe steckt.

Mit ihrer Kampagne für das AusländerInnenwahlrecht ist die SPD bis heute nicht vorangekommen. Mit den neuen deutsch -deutschen Präferenzen läßt sich das nicht entschuldigen im Gegenteil: Wenn jemals irgendeine der multikulturellen Luftblasen aus SPD-Munde ernst gemeint waren, dann hätte man gerade in den letzten, ach so historischen Monaten eine Kampagne gestartet - nicht nur für das kommunale AusländerInnenwahlrecht, sondern auch gegen die zunehmende Aggressivität gegen ImmigrantInnen und Flüchtlinge in Behörden, auf der Straße, in der U-Bahn. Es geht um Rassismus - und der ist kein DDR-Phänomen, sondern ein gesamtdeutsches. Man weigert sich bei der SPD zu begreifen, daß diese Stadt, die sich Metropole nennen will, zur multikulturellen Hackordnung verkommt. Es sei denn, man setzt sich mit ImmigrantInnengruppen, Kirchen, Gewerkschaften an einen Tisch, um sich den Kopf ausnahmsweise nicht über Hauptstadtpläne, sondern um eine konstruktive Minderheitenpolitik zu zerbrechen. Dazu gehört unter anderem das kommunale AusländerInnenwahlrecht. Und zwar „unverzüglich“ - im Sinne des Wörterbuchs.

Andrea Böhm