Mittelmaß im Geldrausch

Werder Bremen auf den Spuren der Bayern: gespielt wird für den Schatzmeister  ■  Aus Bremen Andreas Hoetzel

Für eine mittelmäßige Zweitliga-Begegnung waren am Dienstag abend erstaunlich viele Zuschauer ins Bremer Weser-Stadion gekommen. 17.000 hatten sich trotz Live- Übertragung in die naß-kalte Betonschüssel am Flußufer vorgewagt, um eine geläuterte Bremer Elf zu sehen: Wiedergutmachung für die Schlappe gegen Lüttich stand auf dem Programm - es wurde ein Duell um die Verfolgerplätze im Mittelfeld der 2. Liga. Wer kann Hertha oder Wattenscheid das Wasser reichen, wer könnte gegen Saarbrücken oder Freiburg bestehen? Am Ende waren sich alle einig: mit etwas Mühe, beide Teams.

Braunschweig war gegenüber der 0:4-Heimniederlage gegen Hessen Kassel nicht wiederzuerkennen. „Fünf Klassen besser“, wie Otto Rehagel zugestand. Und den Bremern war anzumerken, daß sie im Anschluß an die beiden letzten Partien im Training einiges geübt hatten. Es gelang ihnen öfter als gewohnt, den Ball zu stoppen, in den Zweikämpfen kniffen nicht mehr alle couragiert die Augen zu. Und bisweilen konnte auch der eine oder andere Gegenspieler umkurvt werden.

Eine beachtliche Steigerung also, die nur in den Lauf-und Schußleistungen ihre Grenzen fand. Was der beste Sturm der bundesdeutschen Fußballszene (geschätzter Transferwert 20 Millionen Mark) an wunderschönen Flanken nicht erlief, in aussichtsreicher Lage wenige Meter vor dem Tor versiebte oder in wilder Betriebsamkeit eigenen Mitspielern den Ball abknöpfte, dürfte den Marktwert der Herren Riedle, Rufer und Neubarth doch geschmälert haben.

Wären da nicht auf Bremer Seite Leute wie der „Ostfriesen -Alemao“ Dieter Eilts oder der lange Rune Bratseth gewesen, die mit schnellen Sprints und überraschenden Vorstößen Unruhe ins betuliche Spiel brachten, statt Wiedergutmachung wäre Wiederholung das Ergebnis des Abends gewesen.

Zwei Tore für Werder. Eins in der zwölften Minute nach einer langen Phase der Unübersichtlichkeit im Fünf- Meter -Raum. Und eins in der 90. Minute, als sich zehn Braunschweiger in der Bremer Hälfte befanden, Riedle den Ball im Anstoßkreis bekam und nicht mehr anders konnte. Zwei Tore, die nicht zwingend waren, die keineswegs einer deutlichen Überlegenheit entsprangen.

Otto Rehagels „kontrollierte Offensive“ der vergangenen Jahre, mit der sich Werder ähnlich wie Gladbach zu früheren Zeiten zum geschätzten Bayern-Antipoden hochspielte, nähert sich nun mit verblüffender Rasanz dem bayrischen Konzept des „kontrollierten Erfolgs“. Das ultra-ökonomische Spiel, das Werder Bremen seit geraumer Zeit beherzigt, hat nur noch die Schatulle des Schatzmeisters im Visier. 20 Millionen Mark konnte der im letzten Geschäftsjahr umsetzen, sieben Millionen mehr, als der Club im Haushaltsvoranschlag festgeschrieben hatte.

Und weil die Mannschaft dann gut ist, wenn es gilt, die nächste Einnahmequelle zu sichern, wird auch die diesjährige Bilanz rosarot aussehen. Das UEFA-Cup-Hinspiel gegen Florenz, das nach den Wünschen der Fernsehgesellschaften wohl schon am Dienstag ausgetragen wird, ist wieder ausverkauft. Und das Pokalendspiel am 19. Mai in Berlin wird das Geldsäckel zum Platzen bringen, auch wenn der spielerische Minimalismus langfristig den guten Ruf ruiniert.

Gar nicht auszudenken, wenn Karl-Heinz Riedle tatsächlich für 15 Millionen Mark Ablöse zu den Herren Berlusconi oder Agnelli konvertiert.

BREMEN: Reck - Bratseth - Borowka, Otten - Bockenfeld (71. Wolter), Votava, Sauer, Eilts - Riedle, Neubarth, Rufer

BRAUNSCHWEIG: Hain - Lellek - Scheil (85. Dreßel), Scheike, Schmidt - Gorski, Probst, Wilke (19. Pospich) - Buchheister, Seeliger, Aden

Zuschauer: 17.666

Tore: 1:0 Eilts (12.), 2:0 Riedle (89.)