Arzt fiel Grapo-Attentat zum Opfer

Internist eines spanischen Krankenhauses erschossen / Alles deutet auf Urheberschaft der Grapo hin / Arzt hatte Gefangene zwangsernährt / Verbesserter Gesundheitszustand durchkreuzte Grapostrategie  ■  Aus Madrid Antje Bauer

Ein Mord brachte am Dienstag der spanischen Öffentlichkeit wieder in Erinnerung, was langsam in Vergessenheit geraten war: den Hungerstreik der Gefangenen der Grapo (Antifaschistische Widerstandsgruppen 1.Oktober). Ein Mann und eine Frau drangen in die Praxis des Internisten Jose Ramon Munoz Fernandez ein, erschossen ihn und verschwanden spurlos. In der Frau meinen Augenzeugen Maria Jesus Romero erkannt zu haben, angebliches Mitglied der Untergrundorganisation Grapo. Munoz Fernandez, 52 Jahre alt, war Chefarzt für Innere Medizin an einem Krankenhaus der Stadt Zaragoza. Er war dort für die medizinische Versorgung von zwei Grapo-Mitgliedern verantwortlich, die am 30.November gemeinsam mit über 60 Genossen einen Hungerstreik beegonnen hatten. Bis Mitte Februar hatte sich die Gesundheit der Hungerstreikenden ständig verschlechtert. Die Grapos, auf ein Dutzend Gefängisse im ganzen Land verteilt, wurden ins Krankenhaus gebracht, als ihr Zustand sich deutlich verschlechterte. Doch aufgrund von Richtersprüchen war die Zwangsernährung erst erlaubt, als die Gefangenen im Koma lagen.

Munoz Fernandez erhob in Zaragoza Klage gegen diese Verfügung und berief sich auf seine Verpflichtung als Arzt, Leben zu retten. Der Klage wurde stattgegeben und die Gefangenen im Krankenhaus von Zaragoza zwangsernährt. Schließlich änderten auch die übrigen Gerichte ihre Ansicht, und eine Verfügung des Generalstaatsanwalts stellte gegen Ende Februar die Entscheidung bezüglich der Zwangsernährung in das Ermessen der Ärzte. Seither hat sich der Zustand der Gefangenen merklich gebessert.

Nach Angaben des Justizministeriums befinden sich noch 41 Gefangene im Hungerstreik, davon liegen 22 in Krankenhäusern, die übrigen sitzen wieder in den Knästen ein.

Die Besserung des Gesundheitszustands hatte zur Folge, daß der Hungerstreik an Dramatik und an Druckmöglichkeit auf das Justizministerium verlor und damit aus den Zeitungen verschwand, ebenso wie die Forderungen der Gefangenen nach Zusammenlegung. Daß die Gefangenen möglicherweise selbst angesichts der Aussichtslosigkeit auf Erfüllung ihrer Forderungen die Zwangsernährung zuließen, ist nicht ganz auszuschließen. Die Schüsse auf Munoz Fernandez sollen die Zwangsernährung beenden und die Situation erneut zuspitzen.

Während die offiziellen Stellen den Mord verurteilten, scheint er auch unter den Angehörigen der Gefangenen keine breite Zustimmung gefunden zu haben: Kurz nach dem Attentat verließen sie die Räume des Roten Kreuzes, die sie in mehreren Städten seit Beginn des Hungerstreiks besezt hatten.