In Natal eskaliert der Bürgerkrieg

Anhänger der „Vereinigten Demokratischen Front“ und der konservativen Zulu-Organisation „Inkatha“ liefern sich in der südafrikanischen Krisenprovinz Gefechte / Kann Mandela die Gewalt im ganzen Land stoppen? / Todesbilanz in Sebokeng steigt auf zwölf Menschen  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

In der Nähe der Stadt Pietermaritzburg in der Krisen-Provinz Natal wütet nach Angaben von Augenzeugen seit dem Wochenende ein regelrechter Krieg. Kämpfe zwischen Anhängern der „Vereinigten Demokratischen Front“ (UDF) und Unterstützern der konservativen Zulu-Organisation Inkatha haben den Busverkehr lahmgelegt und sollen in Gruppen von bis zu 2.000 bewaffneten Menschen auf der Suche nach Gegnern durch das Gebiet ziehen. Mindestens zwei Menschen kamen bisher ums Leben. Um die Situation zu kontrollieren, wurde neben Polizei auch Militär eingesetzt.

Der erneute Gewaltausbruch in Natal, wo Tausende von Menschen in den letzten Jahren starben, ist von Vertretern von Inkatha, von Oppositionsorganisationen und Kirchensprechern verurteilt worden. Laut John Aitchison, der das Zentrum für Erwachsenenbildung der Universität von Natal leitet und die Kämpfe seit deren Beginn 1986 beobachtet, sei ein Treffen Nelson Mandelas mit dem Inkatha-Führer Buthelezi die letzte Chance für Frieden. Andererseits sieht Aitchison nicht den Erfolg von Verhandlungen, da der Machterhalt Buthelezis nur über den Weg der Gewalt gehe.

Seit Anfang März sind etwa 100 Menschen bei zahlreichen Protesten im ganzen Land ums Leben gekommen. Die Zahl der Toten und der Proteste hat dabei das Niveau erreicht, das nach landesweiten Protesten 1986 zur Verhängung des Ausnahmezustandes führte. Noch gestern bestimmten Meldungen über Todessalven in eine Großdemonstration die Schlagzeilen. Im Township Sebokeng 50 Kilometer südlich von Johannesburg sind neuesten Angaben zufolge mehr als ein Dutzend Menschen ums Leben gekommen, als die Polizei das Feuer gegen 50.000 DemonstrantInnen eröffnete. Auch gestern kam es erneut zu einzelnen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und steinewerfenden Jugendlichen. „Wer hat der Polizei befohlen, auf friedliche Demonstranten zu schießen?“ fragte Bavumile Vilikazi von der Bürgerinitiative in Sebokeng am Dienstag. Er forderte den Minister für Recht und Ordnung, Adriaan Vlok, auf, den Hintergrund des Blutvergießens zu untersuchen. „Herrn Vloks Aussage, daß Agitatoren für die Gewalt verantwortlich waren, ist unverantwortlich und vollkommen unwahr“, so Vilikazi.

Eine Erklärung der Vereinigten Demokratischen Front (UDF) betonte am Dienstag, daß das Vorgehen der Polizei alle Reformabsichten der Regierung ad absurdum führe. Die Entwicklungen der letzten Woche zeigten, daß „die Polizei immer gewalttätiger gegen legale und friedliche Proteste vorgeht“. Vlok hat indessen angekündigt, die Ereignisse zu untersuchen.