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„Taktisch und strategisch keine Fehler“

Olga Leisinger, stellvertretende Berliner ÖTV-Chefin, zum Ausgang des Kita-Streiks  ■ I N T E R V I E W

taz: Nach zehn Wochen wurden die Streikenden mit leeren Händen an die Arbeit zurückgeschickt. Kann die Gewerkschaft es sich leisten, so mit ihrer Basis umzugehen?

Olga Leisinger: Wir haben die Kolleginnen und Kollegen nicht an die Arbeit zurückgeschickt. Wir haben den Streik ausgesetzt, weil sonst die Belastung für alle Betroffenen zu groß geworden wäre im Verhältnis zu dem noch erreichbaren Ergebnis. Für einen akzeptablen tarifpolitischen Kompromiß aber hat uns der Senat die Tür zugeschlagen.

Sollte mit der Aussetzung nicht einfach nur vermieden werden, klar zu sagen: Wir haben nichts erreicht? Eine Neubelebung des Arbeitskampfes zu einem passenderen Moment ist doch unwahrscheinlich.

Man sollte die Entschlossenheit von Frauen nicht unterschätzen. Eine Urabstimmung hätte den Streik beendet. Damit wären aber die Gewerkschaften aus der Verantwortung raus, für die berechtigten Forderungen der Erzieherinnen was zu tun. Und wir müßten, um wieder zu mobilisieren, mit einer neuen Tarifforderung an den Senat herantreten. Wir von der ÖTV finden aber, daß unsere Forderungen die richtigen sind und als Zielvorstellungen erhalten bleiben müssen.

Die GEW ist inzwischen mit der ÖTV zerstritten, kritische Erzieherinnen formieren sich als Gewerkschaftsopposition. Die ÖTV muß also massive Fehler begangen haben.

Taktisch und strategisch haben wir keine Fehler gemacht. Wir haben alles versucht, um den Senat zur Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen zu bringen. Allerdings ist uns nicht gelungen, die Sondierungsgespräche den Mitgliedern zu vermitteln. Deshalb kann ich nachvollziehen, daß viele verbittert sind.

Ihr Chef, Kurt Lange, hat Fehler zugegeben. Zum Beispiel, daß andere Bereiche nicht genügend mobilisiert wurden. Wenn die Müllmänner nicht nur zwei Stunden gestreikt, sondern zusammen mit dem öffentlichen Transport die Brocken hingeschmissen hätten, dann wäre der Streik sicher anders ausgegangen. Hat man die Erzieherinnen nicht richtig ernstgenommen?

Nein, das kann man ganz sicher nicht sagen. Aber Sie wissen auch, daß man von Rechts wegen niemanden zu einem Streik aufrufen kann, der nicht vom Tarifkonflikt betroffen ist. Die Kollegen bei der Berliner Stadtreinigung haben eine wichtige symbolische Aktion gemacht. Aber mehr kann man nicht erwarten. Sonst ist das Arbeitsverweigerung und führt zu fristloser Kündigung.

Wieviel Gewerkschaftsaustritte hat es inzwischen gegeben?

Genaue Zahlen kann ich Ihnen nicht sagen, aber sie sind nicht bedeutungsvoll.

Interview: Ulrike Helwerth

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