Berliner Kita-Streik nach 10 Wochen ergebnislos beendet

■ Bilanz des beendeten Streiks: Frustrierte Erzieherinnen, zerstrittene Gewerkschaften, ein blamierter Koalitionspartner und keine wesentlichen Verbesserungen in den Kitas / Streik scheiterte an der kompromißlosen Haltung der SPD-Senatsmehrheit / Gewerkschaftsbasis rebelliert gegen ÖTV-Führung / Nur die Kinder scheinen sich zu freuen

Berlin (taz) - So richtig „froh“ sind wohl nur die Kids. Verpennt, mit großen Brocken Schlaf im Auge und den typischen frühmorgendlichen Kakadu-Frisuren begrüßen sie erleichtert ihre Spielkameraden. Nach zehn Wochen Kita -Streik endlich der genervten Oma, den betreuenden Nachbarn, der Dauerbeschallung mit Märchenkassetten und dem Fernsehvormittagsprogramm entronnen. Ganze Knirps-Knäuel wickeln sich um die Beine der langvermißten ErzieherInnen.

Doch bei denen und auch bei den Eltern herrscht nach dem vorläufigen Ende des längsten Streiks der Berliner Nachkriegsgeschichte eher Ernüchterung: denn der Arbeitskampf, mit dem die ErzieherInnen eine tarifvertragliche Festschreibung der Personalschlüssel und Gruppengrößen für die Kitas sowie Fort- und Weiterbildung und Umschulung erreichen wollten, wurde nach zehn Wochen harten Kampfes mit dem Senat ergebnislos ausgesetzt. „Und dafür habe ich nun wochenlang als Streikposten auf der Straße gestanden“, kommentiert eine Erzieherin in einer Kita am Kottbusser Tor in Kreuzberg demoralisiert. Die Chancen für eine Wiederaufnahme des Streiks oder neue Streiks seien schlecht: „Vielleicht in zwanzig Jahren wieder.“ Auch die Mehrzahl der Eltern, insbesondere der Frauen, ist enttäuscht darüber, für nichts und wieder nichts die Strapazen des Streiks ertragen zu haben. Bei den meisten ist der Jahresurlaub draufgegangen, einige sind sogar entlassen worden, gar nicht zu reden von verschlissenen Onkeln und Tanten.

Gescheitert ist der Kita-Streik letztlich an der kompromißlosen Haltung des öffentlichen Arbeitgebers Senat das heißt der SPD-Senatsmehrheit. Die lehnte einen Tarifvertrag im Gegensatz zur mitregierenden AL, die die Gewerkschaftsforderungen unterstützt, in den ersten Streikwochen zunächst ganz ab. Zwar ging man dann auf die Gewerkschaften zu, kündigte 248 neue Stellen und ein Kita -Gesetz an, wollte aber das entscheidende Essential, die Regelung von Personal und Gruppengröße, weiter nicht tarifvertraglich festschreiben. Argumente: Die anderen Bundesländer, mit denen Berlin in der „Tarifgemeinschaft deutscher Länder“ zusammengeschlossen ist, lehnten dies ab.

Außerdem befürchtet der Senat, Einfluß auf die Kitas zu verlieren: ein entsprechender Tarifvertrag greife in das „Budgetrecht des Parlaments“ und die „Organisationsgewalt der Regierung“ ein. Nach „Sondierungsgesprächen“ mit dem Senat speckten die Gewerkschaften ordentlich Forderungen ab, bis neben Weiterbildung und Umschulung nur noch die Vor- und Nachbereitungszeiten übrigblieben. Aber selbst dieser für die Basis kaum erträgliche Vorschlag wurde von Senatsseite abgelehnt - zuviel Einfluß auf die Personalbemessung. In der zugespitzten Situation beschloß die Tarifkommission der beiden Gewerkschaften mit ÖTV-Mehrheit, den Streik ohne Urabstimmung auszusetzen. Doch damit war nicht nur der Traum, unter einem rot-grünen Senat einen „Pilot -Tarifvertrag“ für den sozialen Bereich durchsetzen zu können, ausgeträumt - jetzt rebelliert auch die Basis gegen die ÖTV und fordert eine „saubere“ Urabstimmung.

Zurück bleiben vorerst frustrierte ErzieherInnen, zerstrittene Gewerkschaften, ein blamierter kleiner Koalitionspartner und immer noch keine entscheidende Verbesserung in den Kitas. Keine guten Aussichten für zukünftige soziale Konflikte in der Stadt.

kotte