No Stasi No Cry...

■ Wieviel Glaubwürdigkeit braucht ein Volkskammerabgeordneter?

Man erinnere sich des Falles Schnur. Das Entsetzen hat sich wohl in Grenzen gehalten, die Operation called „Verstehen“ war weitaus mehr im öffentlichen Gange. Das Dilemma, die eingesessene Macht für eigene, durchaus als löblich empfundene Ziele zu benutzen, und damit benutzbar zu werden für die Ziele der Macht, macht die Grenze zwischen Anpassung und Realismus fließend. Aber nur in dieser Grauzone wird Politik gemacht. Und vielleicht wird Wolfgang Schnur der erste und letzte gewesen sein, dem daraus noch ein Vorwurf gemacht wird.

Überzeugte Sachwalter eines modernen Staatswesens sind im dilletantischen Sozialismus ganz unabsichtlich zu Hauf erzogen worden und der Aufstand gegen die Senilität der Führung mußte darum auch notwendig in den Konservatismus führen. Einigkeit und Ruhe und Ordnung und reichlich Futter für alle sind die deutschen Forderungen des Tages.Welches Gespinst verdeckter Informationsbeschaffung zur Sicherung dies schönen Zustandes vorgeschlagen und parlamentsmehrheitlich ins neue Leben gerufen wird, ist womöglich schon außerhalb allgemeinen Interesses.

Die neuen Bestrebungen, dem „unvermeidlichen Sicherheitsbedürfnis“ gegen Störer, Putscher, Terroristen ein Amt zu schaffen, versetzen nun die Stasi-Auflöser in helle Aufregung. Der bloß modernisierte Überwachunsstaat steht vor der Tür. Stilles Einverständnis zwischen allen frisch gewählten konservativen Ärmelhochkremplern, daß die feine Sensorik nachrichtendienstlicher Tätigkeit zu den Unverzichtbarkeiten einer wehrhaften Demokratie gehört, und das es höchst töricht sei, die Fleißarbeit von vierzig Jahren Staatssicherheit einfach zu vernichten oder gar unters Volk zu streuen, jenem Volk, in dem dann Ex -Funktionäre, ewig Widersätzliche, ewig Auskunftsbereite, allerei Anormale und Unberechenbare unregistriert aufgehen würden.

Steht den Stasi-Auflösern das tragische Schicksal bevor, nur als Abräumer für eine gewisse Wegstrecke gemietet worden zu sein, und sitzen sie nun, da ihre Zeit vorbei scheint, ihrer hausgemachten Dämonisierung auf? Wieviel Berechtigung hat die Befürchtung, daß Ex-Spitzel die Integriertheit der Volkskammer beeinträchtigten? Die Integrität der Volkskammer ist durch die wirtschaftliche Hörigkeit gegenüber der Bundesrepublik lange beschädigt. Die „Erpressungen“ sind offensichtlich. Das Böse, das ein moralischer Rigorismus in stillschweigende Stasi-Abgeordnete liest, wird so nur das Böse des vergangenen Staates, und in Vielzahl werden Menschen mit dunkler Vergangenheit die helle Zukunft steuern. Die BRD hat auch dies vorgeturnt.

stefan schwarz