Wie mit „anvertrauten Daten“ geschlampt wird

■ Landes-Datenschützer legte 12. Jahresbericht vor / Alte und neue Verstöße bei Polizei und Verwaltungen „mißbilligt“, wenig Erfolge

„Du, ich hab‘ dein Bild bei der Polizei im 'Verbrecheralbum‘ gesehen!“ Damit konnte kürzlich eine Bremerin, die bei der Polizei auf der Kartei-Suche nach einem Handtaschen-Dieb gewesen war, ihren Freund überraschen. Der Bekannte fand das gar nicht witzig. Und der eingeschaltete Landes -Datenschutzbeauftragte, Dr. Alfred Büllesbach, machte bei seiner anschließenden Prüfung erstaunliche Funde: Glatt 106.000 Menschen allein aus der Stadt Bremen sind wegen „erkennungsdienstlicher Behandlung“ (ED), also per Foto und 10 Fingerabdrücken, in der Polizeikartei gespeichert. „Ich bin über diese Zahl sehr erschrocken“, be

kannte Büllesbach. Und das polizeiliche Fotoalbum war nicht nur vorschriftsmäßig nach Deliktgruppen, sondern nach sozialen Kriterien geordnet: Da gibt es Seiten für „Stadtstreicher“, für „Prostituierte“. „Verfassungwidrig“, wertete Büllesbach, „ich hätte gedacht, daß wir da in der öffentlichen Diskussion weiter sind.“

Das Dutzend ist voll: Seinen 12. Jahresbericht legte Bremens Datenschützer gestern Senat, Bürgerschaft und der Presse vor. Seine Waffe, einmal im Jahr: zu informieren. Manche Gesetzesverstöße der Behörden werden seit Jahren folgenlos gerügt.

Vor der West-Glotze zu sitzen

und sich zu freuen, wie in der DDR der Staatsschutz gestürmt und Stasi-Akten erobert und vernichtet werden, ist ja prima. Büllesbach: „Das muß aber Rückwirkungen bei uns haben! Bürger vertrauen ihre Daten den Verwaltungen schließlich nur an!“ Um mit dem Positiven anzufangen: Einen Datenschutz-Erfolg gibt es immerhin: Die Datei für sämtliche Aus- und ÜbersiedlerInnen, 'ADOS‘, vom Datenschützer rundweg als unzulässig kritisiert, aber bis vor kurzem heftig im Aufbau, ist inzwischen auf Büllesbachs Initiative hin gelöscht worden. Nachdem sich die DKP in Bremen aufgelöst hat, erwartet Büllesbach nun „eine intensive

Prüfung der einschlägigen Datenbestände beim Verfassungsschutz, und nicht erst in Jahren, sondern in Monaten!“

Weit über tausend BremerInnen sind nach wie vor in „APIS“, dem Computer des Bundeskriminalamtes gespeichert, von Bremen beschickt; nicht wegen schwerer Staatsschutz-Delikte, sondern wegen einer Demo gegen Jugendarbeitslosigkeit und mit Merkmalen wie „aufgedunsen, pickelig...“. Ohne Rechtsgrundlage, fand Büllesbach schon 1989, und Hamburg hat inzwischen 2/3 seiner APIS-Speichersätze gelöscht. In Bremen hat man bis heute nicht einmal mit der Prüfung begonnen. Ein für Februar versprochenes Gespräch mit dem Innensenator hat nicht stattgefunden.

Am letzten Freitag verabschiedete die Innendeputation (gegen die grüne Stimme) die Meldedaten-Übermittlungs -Verordnung. Das Meldeamt liefert danach online, also direkt, seine Daten an Bußgeldstelle, Gewerbeamt, Staatsanwaltschaft, Führerscheinstelle. Büllesbach wertete das als rechtswidrig, sogar bundesgesetzwidrig. Dem Ausschuß -Sprecher Isola war das bis gestern glatt entgangen.

Daß eine rechtswidrige Datei wie die für Übersiedler vernichtet wird - solchen Erfolg hat Datenschutz höchst selten. Zum Beispiel: Seit mehreren Jahren bewegt sich die „Senatskommission für das Personalwesen“, SKP, Einstellungs und Gehaltsstelle für alle öffentlich Bediensteten, auf ihren PCs völlig ohne rechtliche Grundlage.

Oder: Der Verfassungsschutz speichert nicht nur die ihm Verdächtigen, sondern auch Hinweisgeber: Ein Bremer, der vor 30 Jahren einmal als DDR-Agent

angeworben werden sollte, konnte erst jetzt seinen Namen löschen lassen und mußte so lange berufliche Nachteile und eingeschränkte Reisefreiheit für seine Tochter in Kauf nehmen. Oder: Bei Lehramts-BewerberInnen zieht die Bildungsbehörde bei ihrer Auswahl auch die Prüfungsunterlagen ihrer Landeskinder hinzu - der Datenschützer „mißbilligt“ schon wegen der Rechtsungleichkeit, die Behörde macht weiter so. Susanne Paa

kostenlos beim Datenschützer, Arndtstr.1, 2850 BHVT. 0471 -20661.