ÜbersiedlerInnen: Hilferuf der Hausmeister

■ „Alkoholbatterie“ / „DDR-Bürger mittlerweile schlechter angesehen als Polen“ / Sozialarbeiter für Übergangswohnheimen gefordert

Der Strom der ÜbersiedlerInnen rinnt seit der DDR-Wahl spärlicher, in den Bremer Turnhallen kann wieder geturnt statt übernachtet werden, die Sozialbehörden atmen auf. In diese Phase des Aufatmens platzte gestern eine Pressekonferenz der Männer, die seit Monaten als Hausmeister in den Übergangswohnheimen und Notunterkünften am Rödeln sind. Die Zimmer frei machen, Neu-Umverteilte aufnehmen, Mieten eintreiben, Schränke auf- und abbauen, in verstopften Ausgüssen stochern, sich mit Alkis rumärgern, die nachts rausgeklingelt werden und bis zu 300 Leute zu verpflegen haben. Die vier sind mit ihren Kräften am Ende: „Seit Weihnachten habe ich nur zwei Wochenenden frei gehabt.“ „Wir arbeiten hier rund um die Uhr, geben alles.“ - „Die schlimmsten Dinge enden mit Rausschmiß. Dabei ist mir auch nicht wohl.“ - „Mich bewegt, daß wir alles geben, aber spüren, daß wir zu wenig tun, weil wir's nicht können. Es muß sich jetzt was ändern, sonst kommt die Aufforderung an die, die sich nicht in

tegrieren. 'Geht doch zurück‘. Nach dem Motto: 'Die saufen hier, die haben in der DDR auch schon gesoffen‘.“

Die vier Hausmeister forderten, genauso wie die anwesenden VertreterInnen der Wohlfahrtsverbände die Sozialsenatorin auf, den „Personalschlüssel“ zu erhöhen. 2 1/2 Mitarbeiter pro 100 zu betreuende Personen - das sei viel zu wenig. SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen müßten dringend her. Klaus Schaumann vom Diakonischen Werk; „Wir haben am Anfang ziemlich hart verhandelt und schon damals gesagt: Mit 2 1/2 kommen wir nicht aus. Diese Zahl war nie Konsens.“ Aber er befürchtet, daß der Finanzsenator den Personalschlüssel noch weiter drücken wolle. Pastor Hans -Günter Sanders von der Neustädter Zionsgemeinde, der tagtäglich in der Notunterkunft Leibnizplatz mit den „unglaublichen Problemen“ konfrontiert ist: „Wenn ich dort hingehe, um ein Gespräch zu führen, torkelt jedesmal einer durchs Zimmer. Ein Bewohner, der bei Daimler schichtarbeitet,

kommt nicht zum Schlafen, weil um ihn herum getrunken wird. Prävention und Intervention bei Alkoholproblemen ist nötig“. Ein Hausmeister ergänzt: „Eine richtige Alkoholbatterie“ sei um diesen Arbeiter herum. Die Verbandsvertreter zählen zwei weitere Probleme auf: Erstens die zunehmende Vereinsamung, die nur dadurch aufzubrechen sei, daß man - vom Pfarrer bis zur Theatergruppe - in die Wohnheime reingehe, anstatt vergeblich Freikarten für Konzerte zu spendieren oder Einladungen für Gesprächskreise auszusprechen. Zweites Problem: Die Streits zwischen (Ehe-)PartnerInnen, die angesichts der nervigen, beengten Wohnbedingungen an der Tagesordnung seien. Und von den Hausmeistern nicht auch noch gelöst werden können.

Mehrere tausend Aus- und ÜbersiedlerInnen leben derzeit noch in den Übergangs- und Notunterkünften. Diejenigen, die Wohnung und Arbeit zielstrebig suchen, ziehen nach einer Übergangszeit von zwei Wochen bis zwei Monaten aus. Da es jedoch

immer schwieriger wird, eine Wohnung zu finden, steigt die „Verweildauer“ in den Heimen und damit die Spannung. Hinzukommt, daß, so die Vertreterin des Diakonischen Werkes, „Problemgruppen den Weg über die Grenze fanden.“ Ein Hausmeister wird deutlicher: Nach der Amnestie in der DDR hätten sich massenhaft Knackis in den Zug Richtung Westen gesetzt: „Die wollen bestimmt nicht betreut werden. Hauptsache, die haben ein Dach über dem Kopf und sind jeden Tag hart.“ Diese DDR'ler würden trotz der widrigen Bedingungen nicht aus den Notunterkünften ausziehen, weil sie so Miete sparen könnten. Pastor Hans-Günter Sanders: „Man muß gefährdete Leute aus dieser Gefährdung rausholen. Es gibt viele Leute, denen es nicht scheißegal ist, daß sie untergehen.“

Die Anwesenden sind sich einig: Das relativ hohe Ansehen, das DDR-ÜbersiedlerInnen zu Anfang genossen, habe stark gelitten. Mittlerweile seien die AussiedlerInnen aus Polen schon höher angesehen als Ex-DDR'lerIn

nen („Alles Knackis“, „Können nicht arbeiten“). Das höchste Ansehen aber genössen die Zuwanderer aus der Sowjetunion: „Die

sind sehr gern gesehen, die halten besser Ruhe und halten besser zusammen.“ Und seien „unglaublich dankbar“.

Barbara Debus