„...das stört mich nicht die Bohne!“

■ taz-Spontanumfrage am Mehringdamm zur Einführung von Tempo 30 brachte unerwartetes Ergebnis: Die unterschiedlichsten BerlinerInnen sind für Tempo30 - haben aber große Zweifel am guten Willen ihrer MitbürgerInnen

Tempo 30 soll auf - wie gestern berichtet - 73 Prozent aller Straßen in West-Berlin eingeführt werden. Die taz befragte dazu gestern Verkehrsteilnehmer auf dem Mehringdamm:

Andi Herbst (25), Fahrradkurier: Ich find das gut. Allerdings soll es nur für Autos gelten. Ich kann mich da beruflich nicht dran halten, weil ich dann einen irren Verdienstausfall hätte. Meistens fahre ich 60 bis 70 km/h, da kann ich nicht auf einmal 30 fahren. Für uns Fahrradkuriere ist es natürlich gut, wenn die Autos langsamer fahren, weil wir dann viel mehr Aufträge bekommen.

Renate Urban (34), Zahntechnikerin und Mutter: Ich kann das nur begrüßen. Es geht um die Luftverschmutzung und um die Sicherheit der Kinder. Ich denke aber auch, daß man zuerst das Bewußtsein vieler Mitmenschen verändern muß, weil die stehen ja wirklich zu ihrer Forderung, ich habe ein Auto und ich möchte so schnell wie möglich damit fahren. Nach dem blödsinnigen Motto: Freie Fahrt für freie Bürger.

Herbert Worch (50), Motorradfahrer: Ganz vernünftige Entscheidung, Hauptsache die Leute halten sich daran. Mich stört es überhaupt nicht, langsamer zu fahren. 30 km/h ist ja zur Sicherheit meiner eigenen Knochen. Da wird bestimmt so manch einer laut krähen, aber die Straßen hier sind meistens verstopft und in der Hauptverkehrszeit gehts eh nicht schneller als 20 km/h.

Eugen Sztefka (28), Fahrradfahrer: 50 km/h find ich an bestimmten Straßenzügen gut, ansonsten 30 km/h. Der Verkehr muß halt fließen. Ich glaube aber nicht, daß es sicherer wird. Die Autofahrer gucken auch bei 30 km/h nicht nach den Fahrradfahrern.

Michael Pesek (33), Taxifahrer: Wenn die Hauptverbindungsstraßen unberührt bleiben, stört mich das nicht die Bohne. Ich glaube, der Lärm wird weniger werden und für Fußgänger wirds sicherer weil alle langsamer fahren. Aber verkehrsberuhigt wird Berlin durch Tempo 30 sicherlich nicht, denn die Autos sind ja dadurch nicht weniger.

Heinz-Wilfried Brandt (49), Versicherungsangestellter: Grundsätzlich halte ich das für gut. Aber für die arbeitende Zunft im Außendienst ist das natürlich 'ne ganz schöne Knüffe, weil wir ja Termine einhalten müssen. Da müßten die Politiker einen Ausgleich schaffen. Am meisten profitiert der Fußgänger davon, aber auch die Versicherungen, weil es weniger Verkehrsunfälle geben wird.

Polizeibeamter von der Straße: Mir persönlich sind 73 Prozent zu viel. Wir werden wahrscheinlich mehr Verkehrsunfälle haben. Denen, die früher Umwege gefahren sind, sind 30 km/h viel zu langsam, die wollen auch nicht geblitzt werden. Die kommen jetzt auch alle auf die Hauptstraßen. Aber trotzdem, wer rasen will, der rast, egal wie oft er erwischt wird. Da kann man nichts dagegen machen.

Karsten Schröter (44) Lehrer: Autofahrer sind doch schon verwöhnt genug. Sie sind viel schneller und haben eigentlich einen ganz tollen Luxus, müssen die dann auch noch brutal rasen und andere gefährden, frag ich mich immer. Man sitzt in einer stabilen Karosserie und kommt sich groß und mächtig vor und vergißt dabei, daß es noch schwächere Verkehrsteilnehmer gibt. Ich hoffe, daß es nicht mehr so viele schwere Unfälle gibt. Das ist für mich neben der Umweltbelastung ein ganz wesentlicher Punkt. Viele werden sich nicht dran halten. Ich kenne selber die Versuchung schnell zu fahren, wenn die Straße frei ist.

Julia Schmidt