Neues Parteistatut der KPdSU

■ Politbüro abgeschafft / Dezentralisierung beschlossen / Fraktionsverbot bleibt jedoch bestehen

Moskau (afp/taz) - Am Mittwoch ist in der 'Prawda‘ das neue Statut der KPdSU erschienen, das auf der letzten Plenartagung des Zentralkomitees verabschiedet wurde und jetzt noch vom 28. Kongreß der KPdSU gebilligt werden muß. Der eigentlich Bruch mit dem Parteistaat war allerdings schon mit der Verfassungsänderung vollzogen worden, in der die führende Rolle der Kommunistischen Partei in Gesellschaft und Staat abgeschafft worden war. Damit war der Praxis der Boden entzogen worden, nach der auf allen Ebenen die Staatsorgane durch die monopolistische Partei angeleitet worden waren. Nach der Beseitigung des „demokratischen Zentralismus“ im Staat ist jetzt durch das neue Statut auch der demokratische Zentralismus in der Partei wenn nicht beseitigt, so doch entscheidend modifiziert worden. Damit wird den kanonischen Texten Lenins zur Organisationsfrage Adieu gesagt und mit einer ehrwürdigen Tradition gebrochen, die bis auf die Geburtsstunde der Bolschewiki zurückgeht.

Für die Organisationsstruktur am einschneidendsten ist die Abschaffung des Politbüros, des bisher allmächtigen Entscheidungszentrums. Es dreht sich dabei keineswegs um eine bloße Namensänderung (den neuen Namen „Präsidium“ trug es schon zu Stalins Zeiten). Im künftigen Präsidium sitzen neben dem Präsidenten und seinen Stellvertretern kraft Amtes auch die Parteichefs aller Unionsrepubliken. Damit ist an Stelle des zentralistischen das föderative Prinzip getreten. Neu ist auch, daß das vom Zentralkomitee gewählte Präsidium vom Parteitag bestätigt werden muß, womit erstmals eine Basiskontrolle möglich wird.

Für die baltische und wahrscheinlich die georgische KP kommt die Dezentralisation zu spät. Im neuen Statut heißt es zwar, die Kommunistischen Parteien der Unionsrepubliken sind im Rahmen des Parteiprogramms und des Statuts unabhängig. Die genannten Parteien werden aber die schlichte Unabhängigkeit vorziehen beziehungsweise haben sie schon vorgezogen.

Das Fraktionsverbot innerhalb der KPdSU war ursprünglich von Lenin als vorübergehende Maßnahme angesichts einer Selbstblockade der Partei auf dem 10. Parteitag festgelegt worden. Es wurde später, als Partei und Staatsapparat faktisch verschmolzen, zu einem Wesensmerkmal der Kommunistischen Partei dekretiert und diente der Liquidierung aller wirklichen und vermeindlichen „Abweichungen“ von der Generallinie. Im Prager Frühling hatte die KPC das Fraktionsverbot bereits faktisch aufgehoben. Der Artikel 13 des neuen Statuts lehnt sich an den damaligen Entwurf der CSSR-Kommunisten an, bleibt allerdings im entscheidenden Punkt unbestimmt. Er gibt den in der Minderheit gebliebenen Mitgliedern das Recht, ihre Positionen zu verteidigen und „eine erneute Beratung der diskutierten Fragen innerhalb der Partei oder den höheren Gremien zu verlangen“. Diese Formulierungen schließen weiterhin die Bildung von Parteiplattformen und Wahlen auf Grund verschiedener Plattformen aus.

Das Statut fällt hier hinter die Realität zurück. Es gibt dem Präsidium die Möglichkeit, disziplinarisch gegen die bereits bestehenden Fraktionen vorzugehen. Gegen lebenslängliche Funktionsträger ist die Bestimmung des Statuts gerichtet, daß nur einmalige Wiederwahl in eine Parteifunktion möglich ist, mithin die Amtszeit für eine Funktion auf maximal zehn Jahre beschränkt bleibt. Diese Bestimmung kann freilich nicht verhindern, daß Würdenträger von einer Funktion in die andere rotieren. Die Präambel des Statuts legt den Marxismus-Leninismus nicht mehr als die für alle Mitglieder verbindliche Ideologie fest. Gut sozialdemokratisch heißt es jetzt, Ziel der Kommunisten sei der „menschliche und demokratische Sozialismus“, der die „universellen menschlichen Werte“ verwirklichen wolle.

c.s.