Demonstration: „Stasi raus“ und „Gysi weg“

■ Landesweit gab es am Donnerstag Demonstrationen für die Überprüfung der Stasi-Vergangenheit der Volkskammer-Vertreter

Die preußische Prachtstraße „Unter den Linden“ war am Donnerstag nachmittag vor dem Eingang zur Volkskammer von Menschenmassen gesperrt. Die Stasi-Auflöser seien in den letzten Wochen „ganz schön allein“ gewesen, bedankte sich der vom Runden Tisch zur Kontrolle entsandte Regierungsbeauftragte Dankward Brinksmeier für den Druck der Straße. „Keine Stasi-Fraktion in der Volkskammer“ war das Motto verschiedener Transparente und Reden.

In Berlin waren es vielleicht 7.000 Menschen, in Leipzig 10.000, in Potsdam, Halle, Dresden, Karl-Marx-Stadt und anderswo gingen tausende auf die Straße, um Druck für eine generelle Überprüfung aller Volkskammer-Abgeordneten zu machen. „Ein Parlament, das mit der Hypothek einer unbewältigten Stasi-Vergangenheit einzelner belastet ist, kann nicht arbeiten“, erklärte Wolfgang Templin (IFM) den konstruktiven Sinn der Kundgebung. Der Minister Sebastian Pflugbeil (Neues Forum) erinnerte an die Forderung des Runden Tisches, das MfS zur „verfassungsfeindlichen Organisation“ zu erklären und zitierte aus der streng vertraulichen Stasi-Vorlage 1/76 über „operative Vorgänge“. Da ist auf 50 Seiten mit Mielke-Unterschrift festgelegt, wie Oppositionelle systematisch fertig gemacht werden sollten (dokumentiert taz 29.3.). „Wir haben ein Recht, zu erfahren, was mit uns geschah“, formulierte Pflugbeil den Widerspruch gegen Versuche, ähnlich wie in der BRD nach der Nazizeit die Aufarbeitung der Vergangenheit unter den Teppich zu kehren. Reinhard Schult (NF) meinte: „Auch wenn es heißt: Erst kommt das Fressen, dann die Moral, wollen wir auf die Moral nicht verzichten.“

Zu den Demonstrationen hatten das Neue Forum und andere Bürgerbewegungen, die Grünen und die SPD aufgerufen. Nicht vertreten war die CDU, die in dieser Frage noch eine abwartende Haltung einnimmt und auf die Konstituierung der Volkskammer verweist.

Auf Transparenten forderten die Demonstranten: „Stasi vor den Kadi“, sowie: „Nie Stasi-Amnestie“. Auf Plakaten hieß es auch: „Bonzen gingen - Bonzen kamen - Amen“. In Leipzig forderten die Demonstranten „Lieber Wanzen im Bett als Stasi in der Regierung“ und „Für eine saubere Regierung gehen wir noch einmal auf die Straße“.

Als in Berlin gegen Ende der Kundgebung der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi sich in die Nähe der Rednertribüne drängte, stürzten sich die Fernsehjournalisten auf den telegenen Politiker, die Demonstranten wollten die Nachfolgeorganisation der SED offenbar aber nicht hören und riefen in Sprechchören: „Gysi weg“.

K.W.