Senats-Gästehaus niedergerissen

■ Trotz Bürgerprotesten und geplanter Parlamentsdebatte / Bausenator „bedauerte“ / Besetzung befürchtet

Ein gewöhnlicher Bagger reicht, auch wenn die Villa einen Turm hat. Er steht auf einem gewaltigem Haufen aus Steinen, Brettern, herausgerissenen und plötzlich sinnlos querliegenden Heizkörpern und Leitungen, und streckt seinen Arm nach dem aus, was einmal das Senats-Gästehaus in der Parkallee gewesen ist. Knackend gibt eine Zwischendecke nach, das Holz federt unter den Baggerzähnen zurück, wehrt sich noch, stürzt dann nach unten. Staub aus 100 Jahren wirbelt hoch. Die Abrißarbeiter halten einen Schlauch hoch, spritzen mit dickem Strahl gegen den Staub an. Zimmer für Zimmer wird brutal aufgerissen, den Blicken freigegeben, dann Sekunden später in Schutt und Geröll niedergemacht. Ein Rest weißgekachelter Wand ist oben zu sehen, ein absurder Spiegel. Gerade kracht eine weißlackierte Flügeltür mit hübschen Cassettenfächern drei Stock tiefer.

Auf dem Bürgersteig stehen BürgerInnen. Einige schauen wie gelähmt zu, andere schäumen vor Wut: auf die Machthaber, auf den Bausenator, der unerreichbar bleibt, auf den neuen Besitzer 'Maritim‘, auf eine Nacht- und Nebelaktion am Freitag nachmittag und in den Osterferien.

Wie ein Schneebrett hängt jetzt das Dach über einem aufgerissenen Bad. Der Bagger reckt den Arm hoch, stockt einen Moment, greift dann ins Dach, und Pfannen und Gebälk stürzen krachend ein und nach unten.

Gegen den städtischen Ausverkauf des baulichen Kulturguts hatte noch letzte Woche die „Initiative zum Erhalt des Senats-Gä

stehauses“ 1.500 Unterschriften in die Bürgerschaft gebracht. Vergebens: Es gab bereits einen Kaufvertrag, danach soll Käufer Maritim das Gebäude „seiner historischen Bedeutung entsprechend pfleglich behandeln“. Solche privatrechtlichen Vereinbarungen, so die Senatspressestelle, seien für die Abrißgenehmigung nicht bindend.

Seit Montag gibt es sie. In der Nacht zum Freitag - also Wochenende und zweiter Osterferientag - brachte die Abrißfirma in einem PKW-Viehanhänger und auf Stroh Werkzeug und Schweißgeräte zum Grundstück. PolitikerInnen von FDP, Grünen und CDU, ExpertInnen von „Bre

mer Haus“, „Bauernhaus“ und „Planungswerkstatt“ hatten bis zuletzt geglaubt, daß die demokratischen Spielregeln eingehalten würden: Im Mai steht der Erhalt des Gäste-Hauses auf der Tagesordnung des Landesparlamentes. Der Ortsamtsleiter Schwachhausen ist über den Abriß nicht einmal informiert. Insider berichten von einer Architektengruppe, die 1,7 Mio. für das Haus geboten hat und es erhalten wollte. Für 1,5 Mio. Kaufpreis hat die Stadt die Villa zum Abbruch und für Neubau freigegeben.

Lapidar kam gestern nachmittag aus der Baubehörde eine Presseerklärung: Der Bausenator

„bedauert, daß die Eigentümer der Maritim-Gruppe nicht bereit sind, das (...) ehemalige Gästehaus des Senats zu erhalten“. Und: „Da der Verkaufserlös vom Finanz- bzw. Sozialsenator für den Bau von Aussiedlerhäusern ausgegeben worden ist, hat der Finanzsenator keine Möglichleit gesehen, der Idee eines Rückkaufs näher zu treten.“ Konsequenz: „Der Bausenator hat eine Abrißgenehmigung erteilt, weil eine Besetzung des Gebäudes nicht mehr auszuschließen war.“

Am Hydrant regelt einer der Abrißarbeiter den Wasserdruck. Wie er den Abriß findet? „Na ja. Normalerweise tut man das ja nicht, sowas.“ Susanne Paa