DIE WAHRHEIT...

■ ...über das Obermieten

Immer dieses larmoyante, selbstmitleidige Getue der Untermieter, die ja eigentlich Mitmieter sind, genauso wie MitarbeiterInnen, MitbürgerInnen, MitesserInnen. Nie habe ich eine(n) unter- oder ausgedrückt oder -gebeutet. So wahr ich Obermieter, oder besser Hauptmieter oder Oberhaupt (und Oberhemd und überhaupt, d.Red.) bin.

In Wahrheit ist alles natürlich völlig umgekehrt: Da ist z.B. mein pellenfixierter perverser Problemparasit aus 3/1984, Künstler und Philosoph, der beim Frühstück verlangte, man solle ihm die ausgekratzte Leberwursthülle reichen, er wolle sie lufttrocknen und dann darauf malen. Natürlich spülte er sie vorher noch nicht einmal ab und außerdem verbrauchte er zum Aufspannen der Haut alle meine Stecknadeln. Ganze Meditationswochen verbrachte er vor den organisch wachsenden und pelzig-grün blühenden Abwaschbergen bei gleichzeitiger systematischer Verklirrung meines Porzellan- und Glasbestandes, der so zur real-musikalischen Untermalung des Stillebens auf der Fensterbank harmoniert wurde. Dort verfaulte nämlich einstweilen der ideelle Gesamtpfirsich vor sich hin. Wochenlang. Stichwort: Vergänglichkeit. Der Mann drohte auch mit toten Feldmäusen, die ihm allerdings ausgeredet werden konnten.

Gern erzählte er nach der morgendlichen Ein-Stund-Dusche von Exkursionen mit der Hochschulklasse auf denen es u.a. auch zum Malen mit Monstermorcheln gekommen sein sollte, was ich ihm ohne zu zögern sofort glaubte, obwohl ich ja wußte, daß ihm sein Gedächnis oft finstere Streiche spielte. Zur Zügelung desselben hatte er nämlich in seinem - also ja eigentlich meinem - Zimmer alle Wände mit großformatigen Merkzetteln beheftet: „Nicht so faul sein!“, „Steh früher auf!“, „Hut ab!“, „Rat ab!“, „Mit anderen reden!“ und andere Regeln.

In 5/86 kam dann der Bio-Spar-Wohner. Er brachte Tisch, Bett, Stuhl (je 1), 16m Botanik-Lexika sowie 1 interessantes Hobby mit: die Ornithologie, welche - wie wir alle wissen die Lehre vom Piepmatz ist. Und was so ein gestandener Orni ist, der hält nicht mit seinen Leistungen hinter dem Vogelkäfig. 250 von 400 mitteleuropäischen Vogelarten habe er schon in freier Wildbahn beobachten, belauschen und befeldstechern dürfen! Denn schließlich hatte er 3 ziemlich lange in olivgrünen Gummihüllen. Und die Fachbuch-Connection in die DDR war ja auch nicht zu verachten. Schlafen ging er mit den Hühnern. Wie sollte es anders sein?

Haare von afrikanischen Zugochsen fand ich in meinem Zahnputzbecher. Das war in 7/88 und vom Entwicklungshelfer, der sein - also mein - ganz in altrosa gehaltenes Zimmer mit mottenzerfressenen Ochsenfellen ausgelegt hatte. Erst als er mal drei Wochen bei seiner Freundin in Frankfurt weilte, hatte ich den Mut, die exotische Auslegware bei der BSR -Sammelstelle abzugeben. Danach gestaltete sich unser Zusammenleben recht angenehm bis auf das mit seiner Boxen -Bindung, die verlangte, daß er die selbstgebauten Drei-Wege -Dingeriche immer von Zimmer zu Zimmer hinter sich herzog, auch in meine (sic!) Küche. In mein Klo pinkelte er im Stehen und nach der Diplomarbeit verpißte er sich. Nach Malawi in Zentralafrika.

Hermann der Molusker