UNTERMIETERVERHÄLTNISMÄSSIGKEITEN

■ Ein kleines, großstädtisches Parasiten-Brevier

Untermieter oder Hauptmieter eines Untermieters ist fast jeder in Berlin, der nicht ins normale Familienraster paßt. Untermieter sind Mieter zweiter Klasse. Der Kündigungsschutz von Untermietern ist eingeschränkt. Der Untermieter hat keinerlei Rechtsbeziehung mit dem Hauseigentümer, sondern nur mit dem Hauptmieter. In den Haaren liegen sich demzufolge meist Hausbesitzer und Hauptmieter oder Hauptmieter und Untermieter. Im Streitfall kann es allerdings heißen: alle gegen alle.

Zum Beispiel die Untermieterin Brigitte Berger*. Sie zog mit drei Freunden nach Kreuzberg. Zwei von ihnen waren Hauptmieter, Brigitte und ihre Freundin Untermieterinnen. „Wir wollten immer in den Hauptmietvertrag, aber die Hausverwaltung war dagegen, und wir haben uns auch nicht richtig darum gekümmert“, erzählt sie. Bald zog ein Hauptmieter aus, ein weiterer Untermieter zog ein. Dann machte der Vermieter pleite, das alte Haus - nebenbei in wenig schönem Zustand - wurde zwangsversteigert. Gleichzeitig bekamen die drei Untermieter Streit mit dem verbliebenen Hauptmieter. Der strich die Segel. „Seitdem wissen wir nicht, was Sache ist, ob die Wohnung gekündigt ist oder nicht. Unser Hauptmieter hat mit dem Vermieter irgendetwas ausgekungelt“, sagt Brigitte. Der Vermieter bot nun den drei Frauen an, sie dürften noch sechs Monate bleiben, wenn sie die Kaution ein zweites Mal bezahlten die erste war mit der Zwangsversteigerung auf Nimmerwiedersehen verschwunden - wenn sie alle Mängel in der Wohnung auf eigene Kosten reparierten und auf künftige Mietminderungen wegen dieser Mängel verzichteten. Die Untermieterinnen gingen auf dieses Angebot nicht ein. Man sieht sich vor Gericht, der Vermieter klagt auf Räumung. Keine guten Karten räumt ihnen der Mieterverein ein. Denn nach dem BGB endet mit dem Hauptmietverhältnis auch das Untermietverhältnis. Allenfalls könne sie sich auf die Sozialklausel nach dem BGB berufen, die verlängert aber nur die Kündigungsfrist.

40.000 Untermieter gab es laut Volkszählung 1987 in Berlin. 145.000 könnten es nach Meinung von Bausenator Nagel werden, denn immer noch sind 15 Prozent der Wohnungen in Berlin unterbelegt. Nagel rief im Dezember letzten Jahres zu einer Kampagne für Untervermietung auf. Wie erfolgreich die war, ließ sich nicht feststellen, denn eine Bilanz wurde nicht gemacht. „Eine Kampagne ersetzt keine Politik“, bemerkt Reiner Wild vom Berliner Mieterverein. Der Mieterverein fordert statt dessen, die alte Mietrechtsregelung von 1975 wieder einzuführen. Damals mußte ein Vermieter Untervermietungen und Wohnungstausch generell zulassen.

Was der bessere Mieterschutz nach dem Mietrecht von vor 1975 nutzen kann, beweist das Beispiel der Studentin Gundel und des Facharbeiters Volker. Die beiden kamen 1972 nach Berlin. „Wir mußten damals heiraten, um eine größere Wohnung zu bekommen“, erzählt Volker. Kaum war das traute Paar eingezogen, ließ er Facharbeiter Facharbeiter sein und schrieb sich ebenfalls an der Uni ein. Zwei andere Studenten wurden Mitmieter. Der Vermieterin kirschte mit den Zähnen. „Kommunen“ waren damals in manchen Bevölkerungskreisen nicht besonders populär. Aber die Kleins* gewannen vor Gericht. Nach 1975 zogen die beiden Kommilitonen aus. Aber nun hatte sich die Rechtslage geändert: Eine Untervermietungserlaubnis bekamen die Kleins nicht mehr. „Wir konnten die teure Wohnung nicht mehr halten und mußten ausziehen, obwohl wir da 5.000 Mark reingesteckt hatten“, klagt Volker. Das Glück hatte das junge Paar auch in anderer Hinsicht verlassen: Die beiden trennten sich und Volker zog als Untermieter zu zwei anderen Studenten. Von den bisherigen Erfahrungen verschreckt, traute er sich nicht, um die Erlaubnis nachzufragen. Und er hatte Pech: Der Hauswart schnüffelte in Vertretung des Vermieters hinter ihm her. „Was tun Sie denn hier so spät abends?“ „Wo haben Sie denn den Wohnungsschlüssel her?“ und „Wie lange sind Sie denn schon zu Besuch?“ und ähnlich bohrende Fragen förderten vermieterliche Ermittlungsergebnisse zutage, die zur fristlosen Kündigung führten.

Der Bausenator freilich will die jetzige Rechtslage beibehalten (na logo. spd bleibt spd. sezza). Was die Erteilung einer Untervermieterlaubnis durch Hauseigentümer betrifft, setzt er „lieber auf Freiwilligkeit, denn auf Zwang“, erklärte er anläßlich seiner Kampagne (mensch, wieviel pudding könnte man aus spd-rückgraten machen. sezza). Auch nichts von Zwang hält natürlich der Geschäftsführer des Haus- und Grundbesitzervereins, Kirchwitz. Er hat einen anderen Vorschlag, aus dem Vermieter auch noch Geld schlagen könnten. „Warum zahlt der Senat nicht an Mieter und Vermieter, die eine zu große Wohnung untervermieten, eine Prämie von ein paar Tausend Mark?“ Eine einzige neue Sozialwohnung koste schließlich inzwischen über 300.000 Mäuse. (und warum soll dieses asoziale hausbesitzer -pack geld fürs rumsitzen kriegen? sezza.) Der Grundbesitzerverein startete sogar eine Kampagne zur Untervermietung an Studenten, nach dem Motto: „Das werden schließlich später mal alles Lehrer, Richter oder Anwälte, und die Erfahrungen bei der Wohnungssuche prägen sie für ihr ganzes Leben.“ Ein Lehrer könnte schließlich hunderte von Schülern vermieterfeindlich indoktrinieren.

Nicht sehr vermieterfreundlich ist wohl inzwischen auch das Professorenehepaar Kreisler*. Das lebte in einer Charlottenburger Wohnung, bis Herrn Kreisler einen Ruf nach Westdeutschland für ein Jahr annahm. Seine Frau kam mit ihm. Drei Zimmer der nicht ganz preiswerten Wohnung wurden derweil einem befreundeten Akademikerpärchen überlassen samt Möbeln und einem ausführlichen, befristeten Untermietvertrag. Zwar sagten Kreislers ihrem Vermieter vorher Bescheid, dies allerdings in einem einfachen, nicht eingeschriebenen Brief und ohne seine Zustimmung abzuwarten. Kaum war die Wohnung vermietet und Kreislers weg, erhob der Vermieter schriftlich Einspruch, das Ehepaar verlor vor Gericht. Etwa gleichzeitig bekamen Kreislers auch noch Streit mit ihren Untermietern, denn die mochten den schicken Altbau nicht wieder verlassen. Sie behielten einfach die die Miete zurück und berechneten den Hauptmietern sogar Renovierungskosten. „Es wäre billiger gewesen, die Wohnung leerstehen zu lassen“, resümierte Frau Kreisler. Weil das Paar schließlich selbst wieder einzog, verzichtete der Vermieter auf eine Räumungsklage. Zum Glück waren die Kreislers über den Mieterverein wenigstens rechtsschutzversichert. „Bis an mein Lebendsende werde ich da Mitglied bleiben“, stoßseufst Frau Kreisler.

Hans Meier*, dessen Fall ähnlich gelagert ist, konnte erfolgreicher untervermieten: Er wollte eine Weltreise machen - ein berechtigter persönlicher Grund - und vermietete deshalb den größeren Teil seiner Wohnung. Im kleineren Teil ließ er seine Möbel, verlangte auch nicht die volle Miete und sagte der Vermieterin vorher Bescheid. Die erlaubte das zwar trotzdem nicht, verlor aber vor Gericht. Erst danach ging Hans Meier auf Weltreise. Chancen hat auch Gisela Sommer*. Sie zog mit ihrem Kind aus einer Wohngemeinschaft in eine eigene Wohnung. Ihr Freund, der beim Einzug versprochen hatte, sich um das Kind zu kümmern, trennte sich später von ihr. Frau Sommer bat eine Freundin, zum Babysitten zu ihr zu ziehen. Der Vermieter erteilte am Telefon eine mündliche Zusage, an die er sich aber später nicht mehr erinnerte. So wird sich Frau Sommer demnächst ebenfalls vor Gericht wiederfinden, vermutlich mit Erfolg...

Ein Sonderfall an Rechtslosigkeit ist die Studentenwohngemeinschaft von Christoph Beer*. Das Haus, in dem sie wohnen, wurde komplett vom Martinswerk, einem gemeinnützigen Trägerverein, gemietet und an Studenten untervermietet. Vor Gericht werden diese Art von Verträgen als Gewerbemietverträge mit allen bekannten Nachteilen behandelt: Befristete Mietverträge ohne Kündigungsschutz, Mieterhöhungen bei Vertragsverlängerung. „Die sitzen auf einem Pulverfaß“, meint Mietervereinsjurist Maciejewski. Christoph Beer jedoch sah sich vor: Er hat einen Vertrag mit der Hauseigentümerin abgeschlossen, daß er Hauptmieter wird, falls die dem Martinswerk kündige. „Die WG unter uns allerdings nicht“, meint er.

Noch komplizierter ging es bei Nina und Leo Luchs* zu, die gemeinsam eine Kreuzberger Altbauwohnung bezogen allerdings nicht ihre eigene. Der Hauptmieter ist seit Jahren im Ausland, ziert sich aber unter allerlei Vorwänden, den beiden seinen Mietvertrag zu überlassen. Leo zahlt seitdem brav die volle Meite an den Hauptmieter, der die seinerseits per Dauerauftrag an die Hauseigentümerin weiterleitet. Wenn die Miete steigt, dauert es jedesmal Monate, den Hauptmieter aufzutreiben, der den Dauerauftrag ändert. „Das alles ist komplett illegal“, erfuhren die beiden vom Mieterverein. Man dürfe nicht die ganze Wohnung auf Dauer und ohne Wissen des Vermieters anderen überlassen. Ob sich Leo auf Vertrauensschutz berufen kann, nachdem er seit Jahren mit der Hausverwaltung verhandelt, wenn es um Reparaturen oder Mieterhöhungen geht, sei fraglich. Und Nina sei völlig ungeschützt.

Der Untermieter hat, so steht es im BGB, keinen Rechtsanspruch darauf, der neue Hauptmieter zu werden, wenn der alte auszieht. So steht es für Leo und Nina womöglich gar nicht gut, wenn der Hauptmieter kündigt. Daneben haben beide jeweils eine auf ihren Namen laufende Wohnung, die für zwei Leute zu klein ist. Während Ninas Wohnung dem Grundstücksamt Kreuzberg gehört - breiten wir den barmherzigen Mantel des Schweigens über dessen Qualitäten als Verwalter - hat Leo seine Wohnung an seinen Kumpel Udo vermietet: Ohne schriftlichen Vertrag, ohne Kaution und natürlich ohne dem - privaten - Vermieter Bescheid zu sagen. Und Udo verursachte dort prompt einen erheblichen Wasserschaden, für den Leo geradestehen muß. Allenfalls kann er das Geld von Udo vor Gericht wieder eintreiben - übrigens ohne die Hilfe des Mietervereins, trotzdem er Mitglied ist. „Wir vertreten prinzipiell keine Mieter gegen andere Mieter“, erklärte Co-Geschäftsführer Reiner Wild. Im übrigen sei Leo ganz schön bescheuert.

Vor solchen Spätfolgen fürchtet sich auch Lisa Müller*. Sie ließ ihren Freund als Untermieter bei sich einziehen - was rechtlich problemlos ist, denn die Aufnahme von Eltern, Kindern, Ehegatten und Lebensgefährten darf der Vermieter nicht verbieten. Nach einiger Zeit beschloß Frau Müller, sich von ihrem Freund zu trennen und sich eine andere Wohnung zu nehmen. Er blieb als Untermieter zurück und nahm noch weitere Untermieter auf. Der Vermieter wußte zwar davon und kassierte auch einen Untermietszuschlag, kündigte aber die Wohnung nach einiger Zeit trotzdem fristlos - und wegen dieses Vorlaufs aussichtslos, wie man beim Mieterverein meint. Trotzdem will Frau Müller demnächst die Wohnung aufgeben: „Ich weiß gar nicht mehr, wer dort wohnt, und wir haben auch keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen - das ist mir alles zu unsicher.“ Schriftliche Verträge sind also auch da angesagt, wo das Herz im Vordergrund steht. Zumindest sollte der ausgezogene Hauptmieter die Bewag, die Gasag und das Telefon auf den Namen des wirklichen Benutzers laufen lassen - sonst hält er im Zweifelsfall dafür den Kopf hin.

Wenn der Vermieter Lunte gerochen hat, wird's meistens unfein. „Der Vermieter muß im Haus Leute haben, die für ihn den Judas spielen“, sagt Volker Klein. „Sonst kriegt er es kaum raus, ob da jemand wohnt oder nur zu Besuch ist.“ Andere Indizien sind Schilder am Briefkasten („Post für Leo Luchs“), nicht rechtzeitig erneuerte Nachsendeanträge oder Telefonbucheintragungen, die einen gewieften Vermieter auf die Spur eines illegalen Untermieters führen. Auch die Meldeadresse, die für jeden, der schriftlich ein plausibles Interesse nachweist, gegen eine Gebühr von drei Mark beim Landeseinwohnermeldeamt erhältlich ist, läßt so manchen Vogel auffliegen („Sehr geehrter Herr Luchs. Wir haben festgestellt, daß Sie in unserer Wohnung nicht mehr gemeldet sind, statt dessen in...“). Denn auch ein illegaler Untermieter kann sich mittlerweile in seinem illegalen Domizil melden. „Wir verlangen nur noch die Unterschrift des Hauptmieters auf dem Meldezettel“, hieß es beim Landeseinwohnermeldeamt. Von der Einsicht in den Hauptmietvertrag oder einer Unterschrift des Vermieters, bis vor zwei Jahren üblich, sei man abgekommen. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage.

Volker Klein hat inzwischen eine neue Wohnung, lebt aber immer noch im Rechtsstreit. „Ich habe den Mietvertrag mit einer viel zu hohen Miete unterschrieben, um gleichzeitig die Untervermietserlaubnis zu bekommen“, erzählt er. „Anschließend habe ich die Miethöhe sofort angefochten.“ Erfolgreich, obwohl der Vermieter vor Gericht erklärte: „Sie kriege ich hier raus und wenn es mit den Füßen nach vorne ist.“ Inzwischen ist der Vermieter gestorben.

Eva Schweitzer

* sämtliche Namen sind von der Redaktion geändert.