An den Gleisen des Südrings liegt es nicht

■ Schwierigkeiten über Schwierigkeiten beim Ausbau des S-Bahn-Südrings / Arbeiten an den ersten Bahnhöfen machen sanfte Fortschritte / Künftiger „Knackpunkt“ wird der Bahnhof Wilmersdorf / Völlig offen: Welches Zugsicherungssystem wird wann von wem installliert?

Warum es Jahre dauert, Bahnstrecken wieder zu beleben, die Anfang der 80er noch befahren wurden, kann derzeit niemand genau erklären. Vor allem beim von allen Seiten gewünschten S-Bahnring hagelt es seit Wochen Kritik auf Verkehrs- und Bauverwaltung. Steckt der Südring in den Amtsstuben fest? Die taz besuchte S-Bahnbauer und sah sich vor Ort um. Nur ganz langsam, so ein Fazit, tut sich entlang der Strecke selbst etwas.

Als ein Beispiel mag der Bahnhof Westkreuz dienen: Hier sind schon seit November Firmen bei der recht umfangreichen Instandsetzung zugange. Inzwischen wurde der marode Ringbahnsteig erst einmal an seinen Enden jeweils um 30 bis 40 Meter abgetragen. Die riesige stählerne Bahnsteighalle ist komplett eingerüstet und wird demnächst völlig neu verglast. Zunächst provisorisch abgestützt sind die Eingangshalle und der dahinter befindliche Stellwerksturm, der bedrohlich schief steht. Weil die Fundamente sich über die Jahrzehnte ungleich „gesetzt“ haben, ist bei beiden Gebäuden ein späterer Abriß unumgänglich. Inzwischen gibt es für die Fahrgäste der Linie Friedrichstraße-Wannsee seit ein paar Tagen eine stabile Behelfsbrücke. Sie muß mindestens für die nächsten drei Jahre als provisorischer Zugang zur S3 dienen. In der Zeit will man die vorhandene Brückenkonstruktion, die beide Bahnsteige überspannt, erneuert haben.

Beim Bahnhof Westend wurde der alte Ringbahnsteig bereits im letzten Herbst abgetragen. Ein neuer, breiterer Bahnsteig mit neuen Zu- und Abgängen soll unter die Spandauer Damm -Brücke verlagert werden, um die Umsteigerei in die Busse in Richtung Spandau als auch in Richtung Zoo zu erleichtern. In den nächsten Tagen wird mit der Betonierung der Bahnsteigkante begonnen. Das versprach jedenfalls der begleitende technische Referent Uwe Straßburg, bei der Bauverwaltung für die „Projektsteuerung“ zuständig. Gemeinsam mit Oberbauleiter Peter Meier nutzte Straßburg die Gelegenheit, auf die mannigfaltigen Probleme und die Kompliziertheit des Bahnbaus hinzuweisen. So müssen die empfindlichen Zugsicherungs- und Fernmeldekabel der Reichsbahn erst umgelagert oder neu verlegt werden - was Zeit kostet. Wie man feststellte, verliefen diese dem Personen- und Güterzugverkehr dienenden Kabel von Westend bis Westkreuz eigentlich auf der „falschen“ Seite des Bahnkörpers, nämlich entlang der Außenseite der S -Bahngleise. Die nun notwendig gewordene Neuverkabelung ist voraussichtlich bis Juni/Juli abgeschlossen.

Nach wie vor große Kopfschmerzen bereitet den Planern der Bauverwaltung auch, daß die beauftragten Firmen mit ihren Materialtransporten auf dem Südring „nirgendwo rankommen“. Zwar konnte zwischen Westend und Westkreuz längs der Bahntrasse eine vier Meter breite Baustraße eingerichtet werden, doch fehlt der Platz für eine Auffahrt vom Bahnhof Westkreuz her. Das Angebot der Reichsbahn, zur Abfuhr des anfallenden Bauschutts Güterloks bereitzustellen, schlug die Bauverwaltung aus verschiedenen Gründen aus. Einmal habe die Reichsbahn zu wenig Loks gehabt, so Verwaltungsreferent Straßburg. Zum anderen hätte man den Bauschutt doch wieder umladen müssen, um ihn dann schließlich mit LKWs zum Westhafen zu schaffen.

Grundsätzlich „kein Thema“ ist für die Bahnexperten des Bausenats dagegen die Anlage von neuen Gleisen. Vorrangig sei es, Bahnhöfe und Brücken in Ordnung zu bringen. Die Montage von 1.000 Metern S-Bahngleisen plus Stromschiene gehe erfahrungsgemäß in nur 6 bis 8 Wochen vonstatten, so daß die für Ende 1992 vorgesehene Inbetriebnahme des Südringteilstücks bis zum Bahnhof Schöneberg daran gewiß nicht scheitere.

Der in den Augen der Planer größte „Knackpunkt“ bis 1992 wird der Umbau des S-Bahnhofs Wilmersdorf sein. Damit eine direkte Verknüpfung mit der U-Bahnlinie am Bundesplatz entsteht, soll in Wilmersdorf der Bahnsteig bis über die Bundesallee „geschoben“ werden. Ein entsprechendes Planfeststellungsverfahren dürfte noch einmal ein Jahr dauern. Laut Auskunft der S-Bahnbauer kommt das bürokratische Verfahren voraussichtlich aber erst im Mai oder Juni in die Gänge. Schuld daran seien erst kürzlich erneut geänderte Bauentwürfe.

Mittlerweile erscheint es auch immer fraglicher, ob die Herstellerfirma Siemens für den Südring bis 1992 ihr neues Zugsicherungssystem EZS800 zur Verfügung stellen kann. So erklärte der von der Bauverwaltung beauftragte Gutachter Dr. Graband am vergangenen Mittwoch vor dem Verkehrsausschuß, daß Siemens nach seinem heutigen Erkenntnisstand dazu nicht in der Lage sei. Bis zu dem Einweihungstermin könne der Weltkonzern lediglich neue Microcomputerstellwerke liefern, versicherte der Gutachter.

Thomas Knauf