Bundesländer nehmen Berliner Müll an

■ Vier Bundesländer nehmen 12.000 Tonnen Berliner Sondermüll / Schreyer sagt „integriertes Abfallkonzept“ zu / Umweltminister Remmers (CDU) treibt Müllkeil zwischen Schreyer und der SPD/AL: Umweltsenatorin hat angeblich den Bau einer Müllverbrennungsanlage zugesagt

Erfolg für Umweltsenatorin Michaele Schreyer (AL): Die Bundesländer wollen den akuten Müllnotstand in Berlin verhindern. Auf der zweitägigen Umweltminister-Konferenz in Celle sagten Schreyers Kollegen zu, Sonderabfälle abzunehmen. Pro Jahr sollen von den 40.000 Tonnen giftigen Sondermülls 12.000 Tonnen in die Müllhochöfen oder auf die Deponien von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein wandern.

Allerdings mußte die Umweltsenatorin ihren Kollegen zusagen, die Berliner Müllentsorgung auszubauen. Dabei hat sie nicht ausschließen wollen, daß nach Prüfung aller Entsorgungsmöglichkeiten eine neue Müllverbrennungsanlage gebaut werden muß.

Schreyers Zusage sorgte gestern nachmittag dann auch für kurzen Krach in der Koalition. Denn der niedersächsische Umweltminister Werner Remmers (CDU) deutete Schreyers Worte frecherweise als Zusage für den Bau einer Verbrennungsanlage. Die SPD/AL-Koalition kritisierte ihre Senatorin darauf barsch: „Es geht nicht an, daß Frau Schreyer gegen Koalitionsvereinbarungen verstößt, ohne vorher mit den Koalitionsfraktionen gesprochen zu haben“ (O -Ton SPD). „Wenn die Zusicherung zutrifft, wird sie von der AL auf keinen Fall hingenommen und aufs Schärfste kritisiert“ (O-Ton AL).

Thomas Rogalla, Pressesprecher der Umweltsenatorin, nahm seine Chefin in Schutz und dementierte die angebliche Zusage gegenüber der taz: „Das ist eine gezielt gestreute Meldung, um Schreyer politisch unter Druck zu setzen. Die anderen Bundesländer stecken bis zum Hals im Müll und können selbst keine Müllverbrennungsanlagen bauen, weil bei jedem geplanten Standort Bürgerinitiativen protestieren. Die wollen beim Bau der Anlagen eine Grüne Koaltion.“

Doch ausschließen wollte auch er nichts. Er versicherte zwar, daß man alles tun wolle, um Sondermüll zu vermeiden oder zu verwerten. Die Expertengruppe Müll des Regionalausschußes (Berlin-West und -Ost, Frankfurt/Oder, Potsdam) wird bis September ein Entsorgungskonzept vorlegen. Aber: Sollten die Müllexperten dann feststellen, daß Schöneiche nicht genügt, dann wird ein weiterer Müllofen gebaut.

Derzeit werden in Berlin jährlich 40.000 Tonnen gefährlichen Sondermülls produziert. Davon gingen bis zur plötzlichen Schließung der Deponie Vorketzin im Februar 35.000 Tonnen in die DDR. Nun bleiben 3.000 Tonnen davon in Berlin, 8.000 Tonnen gehen bereits seit Jahresbeginn nach Niedersachsen und 12.000 Tonnen wandern in die Öfen der Dreckschleuder Schöneiche. Die restlichen 12.000 Tonnen, die seit Februar übrig geblieben wären, nehmen nun die Umweltminister.

Dirk Wildt