: Urlauber oder Gänse
■ Das Paradies hat in Spanien einen Namen und einen Ort. Es heißt Donana und liegt an der andalusischen Küste, südlich von Sevilla
Antje Bauer URLAUBER ODER GÄNSE
Das Paradies hat in Spanien einen Namen und einen Ort. Es heißt Donana und liegt an der andalusischen Küste, südlich von Sevilla.
In dem in Europa einzigartigen Feuchtgebiet der Donana, den Sümpfen und Dünen am Meer, leben und nisten Flamingos, Rotkehlchen, Kaiseradler, Wildgänse, selbst Luchse gibt es hier noch. Der Schriftsteller Quevedo begleitete Philipp den Vierten hierher; und in der Ruhe und Weltabgeschiedenheit des Gebiets soll Pilar Cayetana für den Maler Goya als nackte und bekleidete Maja posiert haben. Auch zeitgenössische Potentaten wissen den Reiz der Region zu schätzen: Regierungschef Felipe Gonzalez verbringt hier seine Sommerfrische; und so mag auch der dicke Kohl als Gast auf den Spuren der Enten und Gänse getrampelt sein.
Wie jedes Paradies ist auch dieses in Gefahr. „Donana - die Geschichte des langsamen Todes“, titelte schon 1983 die Tageszeitung 'Diario 16‘ melancholisch. Inzwischen ist der Ton nüchterner, aber kämpferischer geworden: „Donana retten“, werden heute Kommentare überschrieben. Eine Phalanx von Helfern ist zur Verteidigung des Paradieses angetreten.
Die Gefahr für Donana geht vom Menschen aus, Nutznießer des für das Feuchtbiotop lebensnotwendigen Wassers. Donana besteht aus drei Gebieten: An das Meer grenzen lagunendurchzogene Dünen. Daran schließt sich ein Bereich an, in dem Gestrüpp und Eichen wachsen. Zwischen dieser Zone und einer weitläufigen Sumpfregion, in der Dutzende Vogelarten zu Hause sind, liegt ein Feuchtgebiet, das ständig grün ist und deshalb von Damhirschen und Rehen bevorzugt wird. Das gesamte hochempfindliche Ökosystem hängt von Zuflüssen aus dem Guadalquivir und seinen Nebenflüssen sowie vom Grundwasser ab; Regen fällt wenig im sonnigen Andalusien. Selbst geringe Verminderungen der Wasserzufuhr können das Ökosystem zerstören und damit auch die von ihm abhängigen Tiere. Landwirtschaft versus Naturschutz
Genau diese Gefahr besteht aus mehreren Gründen. 1969 war Donana zum Nationalpark erklärt und 1978 auf seine heutige Größe ausgedehnt worden. Um die Landwirtschaft in der Umgebung zu intensivieren, hatte das „Andalusische Institut für Agrarreform“ 1970 45.000 Hektar zur Bewässerung freigegeben. Diese Genehmigung wurde jedoch im Laufe der Jahre mehrmals verändert und schließlich auf 7.000 Hektar reduziert. Doch inzwischen will das Institut die bewässerten Flächen wieder vergrößern. In diesem Jahr soll sie 8.619 Hektar betragen. Das hieße, daß die jährlich aus dem Grundwasser abgepumpte Menge um 700 auf fast 6.000 Kubikmeter anstiege. Außerdem sollen Bauern in der Umgebung des Naturparks auf eigene Faust Brunnen zur Bewässerung ihrer Plantagen ausgehoben haben.
Künstliches Paradies
Doch nicht nur die intensive Landwirtschaft rückt dem Naturschutzgebiet zu Leibe. Anfang der achtziger Jahre war neben dem natürlichen Paradies noch ein künstliches entstanden: Matalascanas. „Das Hotel liegt 100 Meter vom Strand und 50 vom Naturschutzgebiet Coto de Donana entfernt“, wirbt das Grand Hotel del Coto. „Drei Schwimmbäder liegen in einem 10.000 Quadratmeter großen Garten.“ Das große, weiße Grand Hotel ist nur ein Teil eines riesigen touristischen Komplexes aus 1.044 Bungalows, 1.702 Appartements, 163 Läden und 7 Hotels. Bis zu 45.000 Touristen leben hier in der Hochsaison, duschen, schwimmen in Süßwasser und ergehen sich auf ständig gesprengten Rasenflächen.
Als ob das nicht reichte, soll jetzt weiter ausgebaut werden. „Costa Donana“ heißt das neue Streitobjekt, westlich von Matalascanas, ebenfalls am Strand gelegen und vom Naturpark umgeben. Weitere 32.000 Urlauber sollen hier in zwölf bis fünfzehn Hotels untergebracht werden. Die Gemeindeverwaltung des nahegelegenen Orts Almonte genehmigte das Mammutprojekt im vergangenen Dezember trotz anhaltender Warnungen der Umweltschützer. Das Wasser für die Unterhaltung des Komplexes, so die Gemeindeverwaltung, werde nicht aus den Reserven des Naturschutzparks gewonnen, sondern aus einem Zufluß ins Meer sowie aus einem geplanten Stausee der Flusses Guadalquivir. Dennoch sieht sich die Gemeinde wachsendem Widerstand ausgesetzt. Touristisches Mammutprojekt
Dieser Widerstand, der sich seit Jahren formiert, wurde unübersehbar, als kürzlich fast 10.000 Umweltschützer aus ganz Spanien und dem Ausland in der Konfliktgegend eintrafen, um gegen das touristische Großprojekt zu protestieren. Die Guardia Civil mußte sich vor einige hundert wütende Einheimische aus Matalascanas und Almonte stellen, die den Demonstranten vorwarfen, bezahlte Chaoten zu sein und ihre Existenz zerstören zu wollen. Der sozialistische Bürgermeister von Almonte, Rafael Diaz, erklärte, die Existenz seines Dorfes hänge von dem neuen Tourismuskomplex ab, und verbat sich diese „Einmischung in innere Angelegenheiten“.
Doch der Bürgermeister wird sogar von seinen Parteifreunden allein gelassen. Die Kritik an dem Mammutprojekt hat zugenommen. Gestützt wird sie von einem Bericht dreier ausländischer Hydrogeologen, den diese im Auftrag des spanischen Ablegers des World Wildlife Fund, Adena, angefertigt haben. Die Untersuchung weist darauf hin, daß die Bewässerung der Grünflächen von Matalascanas zu einem Absinken des Grundwassers im Naturpark führen wird und der Komplex Costa Donana diese Effekte verstärken kann. Aufgrund der landwirtschaftlichen Bewässerung sei eine Lagune bereits ausgetrocknet und der Grundwasserspiegel mehrerer Brunnen abgesunken. Der Bericht kommt zu dem Schluß, daß der Grundwasserspiegel im von Gestrüpp und Eichen bewachsenen Bereich bis zehn Meter sinken wird, daß einer der Zuflüsse häufig trocken liegen wird und daß in den feuchten Zwischenbereich fast kein Oberflächenwasser mehr eindringen könne. Mehrere der Wasserzuflüsse zum Donanapark seien schon heute mit Schädlingsbekämpfungsmitteln kontaminiert. Durch das Absinken des Grundwasserspiegels bestehe darüber hinaus die Gefahr, daß Salzwasser in die Brunnen des Nationalparks eindringe und das Ökosystem weiterhin schädige. Politiker werden wach
Die Umweltschutzorganisation „Andalus“ reichte im vergangenen September bei der Europäischen Kommission Klage gegen die spanische Regierung wegen Verletzung der EG -Vorschriften zum Schutz seltener Tierarten ein. Zahlreiche Intellektuelle wie der Schriftsteller Camilo Jose Cela, der Philosoph Fernando Savater, der Autor Vazquez Montalban haben einen öffentlichen Aufruf zur Rettung des Naturparks Donana unterschrieben. Auch die Politiker kommen langsam in Bewegung. Die „Stiftung Donana“ unter Vorsitz des spanischen Vizepremiers Alfonso Guerra, die zunächst den Bericht der drei Hydrogeologen abgelehnt und sich dem Projekt „Costa Donana“ gegenüber wohlwollend gezeigt hatte, wird vorsichtig, nachdem Landwirtschaftsminister Carlos Romero seinen Widerstand gegen das Projekt angekündigt hat. Santiago Marraco, Generaldirektor des staatlichen „Instituts für die Erhaltung der Natur“, erklärte kürzlich, es werde „keinen Tropfen Wasser aus dem Nationalpark für den Hotelkomplex Costa Donana geben“. Damit stehen die Bewohner von Almonte allein. Denn nachdem sie die Genehmigung für das Projekt erteilt haben, wird nun eine Untersuchung über die Auswirkungen auf die Umwelt angestellt. Teile des Projekts müssen darüber hinaus vom „Institut für die Erhaltung der Natur“ genehmigt werden.
Rückkehr der Wildgänse
Dank des jahrelangen Widerstands der Umweltgruppen und der Linksunion Izquierda Unida könnte die Entscheidung „wirtschaftliche Entwicklung gegen Umweltschutz“ ausnahmsweise einmal zugunsten des Naturschutzes ausfallen. Den Bewohnern von Almonte raten die Umweltschützer unterdessen, lieber auf sanften Tourismus zu setzen, der die natürlichen Ressourcen nicht schädigt. Einige wenige allerdings werden ihre Interessen heftig gefährdet sehen: die Spekulanten, die bereits alle Hebel - auch ihre Beziehungen zur sozialistischen Macht in Andalusien - in Bewegung gesetzt hatten, um eine weitere Untat an Spaniens Küsten begehen zu können.
„Im Norden“, schreibt der Schriftsteller Miguel Delibes, „hat man eine mythische und ehrfürchtige Haltung gegenüber den Gänsen. Die Rückkehr der Wildgänse - wie in unseren Breitengraden des Storches - ist für sie der Bote des Frühlings. Die nordische Literatur ist, wie Donana vor dem Gemetzel, voller Gänse.“ Vielleicht ist das Gemetzel ja noch zu verhindern.
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