Post fürs Provinzei

■ betr.: Leserbrief vom 28.3.90, S. 14

Betr.: Leserbrief vom 28.3., S. 14

provinzei an provinzei:

gratulation zum mut, anonym zu bleiben - stop

politische experimente sind lieblingskinder der deutschen (fritz, bismarck, karl und rosa, ulbricht, adenauer-kohl) stop

leider ist auch der biedermann (friede, freude etc.) ein solches - stop

das wahlergebnis ist der beweis - stop

deutschland über alles - stop

deutschmark bleibt anonym - stop

moral ist hin - stop

„wir sind das volk“ haben wir '89 stolz gerufen, beifall von links bis rechts - stop

ullmann, weiß, bohley, modrow... hoffnungsträger für fortschritt (evolution) - stop

böses erwachen: ddr ist eine mutation - stop

danke herrn kohl, waigel, gensch-man... für die sterbehilfe

-stop

bleibt ja doch alles in der familie - stop

bin nie ein braves kind gewesen, sehe auch keinen besserungsgrund - stop

gleiches gilt auch für die taz-mitarbeiterInnen - stop

provinzei mit abo grüßt aus leipzig - stop henry hofman

Schwierig, schwierig. Wo anfangen?

Vielleicht: Ich kam 1988 nach Berlin, arbeitete zuvor acht Jahre lang in Sachsen und hatte selbst schwere „Provinzschäden“. Nichtsdestotrotz versuchte ich, „den Berlinern“ nicht vorzuwerfen, wofür sie m.E. nichts konnten. Denn wäre die Wahl der Hauptstadt auf z.B. Dresden gefallen... aber: hätt‘ der Hund nicht gesch..., hätt‘ er den Hasen gekriegt!

Willst Du den Berlinern vorwerfen, daß sie nahmen, was man/frau ihnen bot? Vor allem angesichts der Tatsache, daß viele Menschen unseres (noch) Landes sogar bereit waren zu nehmen, was man/frau ihnen nur versprach? Die Wahl am 18. März bestätigte es. Vom für viele „DDRler“ bereits normal gewordenen Einkaufstourismus getreu der Devise: In der DDR gibt es alles, man/frau muß nur wissen, wo! will ich gar nicht reden.

So sehr ich Deine Emotionen verstehe - ich möchte Dich bitten: wenn Du mit Begriffen wie Demokratie und (m.E. noch schlimmer) TOLERANZ um Dich wirfst, dann enthalte Dich BITTE demnächst solcher Schubkastenklischees wie dem des Antifa, „der nicht arbeitet und mit dem Pali-Tuch um den Hals in Kneipen rumhockt(e).“

Zumal Du das mit solch bitteren Wahrheiten wie Neofaschismus und der Krenz-Story in Verbindung bringst. Es gibt alles, aber

nichts ist allgemein. Mit Verallgemeinerungen wirst Du einfach unglaubhaft, und wer soll das tolerieren?

PS: Deine Antwort erwarte ich über die taz, meine Adresse ist bekannt. Sven-Karsten Kaiser, Berli