„Wahlbetrug“ der CDU

■ Auch CDU-Wähler empört über BRD-Beschluß zur Währungsunion: „Eine riesengroße Sauerei“ / DDR-CDU findet Reduzierung der Löhne „völlig unannehmbar“ / Markus Meckel (SPD): „Wahlbetrug“ / BRD-Finanzminister: Vorschlag 1:2 ist „eine fundierte und gute Grundlage“

Berlin (taz) - Wie eine Bombe schlug am Wochendende der Beschluß des Zentralrates der Bundesbank ein, den generellen Umstellungskurs bei der Währungsunion auf 1:2 festzulegen. Nur für Sparguthaben bis zu einer Höhe von 2.000 Mark pro Person der DDR soll der im Wahlkampf versprochene Kurs 1:1 gelten. Während die Bonner Politiker der Regierungskoalition aus FDP und CDU im wesentlichen diesem Vorschlag, der von den Bankern praktisch einstimmig in Gegenwart des Finanzministers Waigel gefaßt wurde, zustimmen, ist in fast jeder Debatte zum Thema in dieser Republik die Empörung zu spüren.

Die taz rief beliebige Bewohner Leipzigs an, wo eine große Mehrheit die CDU gewählt haben, - die Stimmung zu dem 1:2 -Vorschlag der Bundesbank ist auch dort eindeutig: „Eine riesengroße Sauerei“ meinte eine Frau, die als technische Kraft in der Kinderkrippe 650 Mark verdient. Zwei kleine Kinder sind zu versorgen, der Mann fährt Wochenend-Schichten - völlig undenkbar, wie das mit einer Halbierung der Löhne gehen soll. „Ich habe dummerweise CDU gewählt“, sagte die Frau der taz. Aber auch Menschen, die den Versprechungen des Bundeskanzlers auf den großen Wahlkampfkundgebungen nicht getraut haben, sind enttäuscht. „Was will ich mit 300 Mark anfangen?“, fragte ein Arbeiter. Auch er will „wahrscheinlich nicht mehr“ CDU wählen.

Bundeskanzler Kohl sagte am Samstag auf dem CDU -Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen, er habe im Wahlkampf der DDR keine weitgehenden Versprechungen gemacht, sondern lediglich für Normalbürger einen vernünftigen Umtauschsatz zugesagt. 80 Prozent der Sparguthaben in der DDR beliefen sich auf bis zu 5.000 Mark. Die DDR sei kein „Land der reichen Leute“.

DDR-Ministerpräsident Hans Modrow (PDS) sagte am Sonntag, der Bundeskanzler habe vor der DDR-Wahl immer wieder einen Umtauschkurs von 1:1 versprochen.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD, Markus Meckel, und SPD-Politiker aus der Bundesrepublik äußerten, ein Kurs von 2:1 wäre ein „Wahlbetrug“. Seine Partei fordere „1:1 plus soziale Absicherung“.

FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff und der DDR-Bund Freier Demokraten haben das 1:2 für Löhne und Schulden akzeptiert, sprachen sich aber gegen die 2.000-Mark-Grenze für die 1:1 -Regelung für Kleinsparer aus. Dies stelle einen „Wortbruch“ dar. Für viele DDR-Bürger seien Sparguthaben fast die einzige Alterssicherung neben den „miesen Renten“, sagte Lambsdorff. Der Bischof von Berlin-Brandenburg, Gottfried Forck, hielt Kohl ebenfalls vor, er habe „etwas anderes angekündigt“.

Der Generalsekretär der DDR-CDU, Martin Kirchner, nannte einen solchen Kurs 1:2 „unzumutbar“. Bei der DDR-CDU gingen zahlreiche Protest-Anrufe ein. Die Quittung würden die Christdemokraten bei der Kommunalwahl am 6. Mai bekommen. Der designierte DDR-Wirtschaftsminister Elmar Pieroth von der West-CDU plädierte ebenfalls für einen durchgehenden Kurs von 1:1.

Vor Journalisten sagte Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl, sozialpolitische Probleme könne man nicht mit der Geldpolitik lösen. „Wir können die Armen in der DDR nicht reich machen durch die Einführung der D-Mark.“ Der Satz von 2:1 stelle bereits eine Aufwertung der DDR-Mark dar, die Regelung für Kleinsparer sei ein „Geschenk“.

Waigel hatte den Banken-Vorschlag „positiv bemerkenswert“ genannt. Er stelle eine „sachlich fundierte Grundlage und gute Empfehlung“ für die Entscheidung der Bundesregierung dar. Auch bei einem Umstellungssatz von 2:1 werde für die DDR-Bürger die reale Kaufkraft auf jeden Fall steigen. Pöhl verwies darauf, die DDR-Mark werde international zur Zeit mit einem Kurs von 4,40 Mark gegenüber einer D-Mark bewertet.

Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR hat jeder Einwohner - vom Kleinkind bis zum Greis - statistisch gesehen ein durchschnittliches Sparguthaben von rund 11.000 Mark.

Führende Vertreter von SPD und CDU sind am Sonntag Nachmittag in Berlin zu weiteren Sondierungsgesprächen über eine Regierungsbildung zusammengekommen. Der Generalsekretär der CDU, Manfred Kirchner, äußerte sich vor Beginn des Treffens optimistisch. Markus Meckel (SPD) sprach sich für einen Kurs von 1:1 für Löhne und Gehälter aus.

Sollten sich die beiden großen Parteien über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen verständigen, müßten an diesem Montag noch die Parteigremien zustimmen. Am Vormittag kommen SPD-Präsidium und Fraktionsvorstand zusammen.

K.W.