Patriarchales Liebesschlachtfeld

■ Im Freiraumtheater: „Der Kaiser von Assyrien und der Architekt“ nach Arabal

Machtspiel der Liebe oder Liebesspiel der Macht? Fernando Arabal (geb.1932 in Spanisch-Marokko, ging mit 23 ins Exil nach Paris) hat 1966, als er das Stück schrieb, die Spielarten gekannt, die erst in den Achtzigern, dem Zeitalter der Zweier-Beziehung, richtig in geworden sind.

Den Hintergrund der Liebe von Freitag zu Robinson - bei Arabal ging die Liebe andersrum - bildet die überladene privatisierte Mutter-Kindbeziehung, deren Hierarchien das Stück inszeniert. Die beiden Regisseure Ulrich Cyran und Jan Strathman haben zusammen mit Andreas Matti und Michael Röhrenbach, den Schauspielern, diese Hierarchien in Szene gesetzt, die den gebildeten Robinson zusammenhalten und vergewissern, dem verachteten, tierischen, unzivilisier

ten, weiblichen, bildungslosen, ausländischen Fremden in Gestalt des Freitag nicht zu gleichen.

Die vier begannen in der schwarz-katholischen Stadt Neuss mit ihrer Zusammenarbeit für dieses Stück, mit dem sie dem Provinzialismus des städtischen Theaters einen Abschied bereiteten. Es war die letzte Inszenierung am Rheinischen Landestheater und stieß auf wenig Begeisterung. Seitdem sind alle vier freie Schauspieler. Für den Kaiser von Assyrien arbeiteten sie mit wenigen, einfallsreich verwendeten Requisiten, deren einziger Fehltreffer der Ketchup auf der Leiche ist. Und woher kommt der Salzstreuer auf die einsame Insel, doch nicht aus dem Reisekoffer mit Robinsons Fetischen von Maman??

Leider nimmt das rasende, im

mergleiche Sprechtempo der Lovestory den Raum und die Stille für emotionale Tiefen. Einige Szenen streichen und dafür mehr Ruhe und Tiefe in die Psyche zwischen den beiden ungleichen Brüdern bringen? So blieb das Stück ein Reigen von Sprech-Gewittern, deren Abgründe nicht ausgespielt waren.

Freitag, der kindlich-weise nackte Gott seiner Insel, kann mit den Berggorillas sprechen, und die Sonne geht unter, wenn er es will. Doch sein unsterbliches Leben wird absehbar, indem er sich in den letzten Überlebenden aus einem abgestürzten Flugzeug verliebt. Verlieben hier ist der Wunsch, den Anderen von innen zu begreifen, in ihn einzusteigen, zu wissen, was er weiß, seine Sprache zu sprechen, um seine Anerkennung zu ringen. Zwei

Jahre saugt er den gebildeten Bürgermüll, die griechischen Heldensagen, die Sagen von den Helden der Literatur und von der Erhabenheit der (männlich geprägten) Kunst in sich auf, nachdem der verkorkste Ödipus-Robinson ihn sprechen gelehrt hat. Als Unwissender Barbar läßt er sich behandeln, zugleich unersetzlich in der Einsamkeit des Gestrandeten.

Er spielt die unzähligen Rollen für und mit Robinson nach: Sklave, Hund, Kind, Maman und Schüler. Robinson ist der Kaiser von Assyrien, Freitag sein Diener.

Doch der göttliche Eingeborene kommt dem auf die Schliche, was der Herr peinlich hinterm Berg gehalten hat hinter seinem Kaisermantel. Er hatte Freitag zum Architekten des Gebäudes

gemacht, in dem sich seine wahre Gestalt verborgen hatte. Er hat nämlich die inzestuös und ganz freudisch (Sigmund) geliebte Mutter umgebracht und an seinen Hund, das geliebteste seiner Wesen, verfüttert. Sinnbild für das Verschlingen des oder der Geliebten, der/die unvereinnahmt nicht ertragen wird, ißt Freitag den mit dem Tode bestraften Robinson. Folgerichtig verliert er mit dem Verzehr seine göttliche Potenz.

Ob er ihn verinnerlicht oder bloß gefressen hat, bleibt als Frage des Dramas zurück. Gleich Knoblauch dampft ihm der unedle Robinson aus allen Poren, bis Freitag ihm gleicher und gleicher wird. Grausig beeindruckt verläßt das leider spärliche Publikum das patriarchale Liebesschlachtfeld. gür