Zu ausländisch?

Deutsche Linke fehlten bei Großdemo gegen Ausländergesetz  ■ K O M M E N T A R

So viele Menschen auf einmal waren seit Monaten nicht mehr auf den Beinen - mal abgesehen vom Polenmarkt und den Massenaufläufen in den Kaufhäusern. Wochenlang hatten die türkischen Kulturvereine, Berufsverbände und Sportklubs zur Demo gegen das geplante Ausländergesetz mobilisiert Ergebnis: 10.000 TeilnehmerInnen zählten die auf Abrunden geeichten Polizeibeamten, ein paar tausend mehr dürften es also gewesen sein. Da demonstrierten die Fußballspieler von Türkiyemspor, der Imam von der Moschee, die polnischen ImmigrantInnen, die Inder vom Kulturzentrum, koreanische, iranische, tamilische Exilanten, die türkischen Ärzte, Kaufleute und Gruppen aller Couleur.

Bis hin zur „Deutschen Sektion der sozialistischen Partei von Bangla Desh“ waren alle vertreten und befreiten für ein paar Stunden den Kudamm vom Autoverkehr - nur die Spontis, Lehrer, SPDler und ALer, Gewerkschafter, Autonomen, FeministInnen, die Anti-Wiedervereiniger und Propagandisten von Pasta- und Kebap-Multikultur, die Mandela- und Intifada -Gemeinde und Internationalisten mit deutschem Paß fehlten. „Ausländergesetz? Is‘ was für Ausländer“, müssen sich die teutonischen Mitglieder der Soli-Szene gedacht haben - und überließen das Demonstrieren nichtdeutschen MitbürgerInnen.

Woran lag's? Noch erschöpft vom Kita-Streik oder von Ortegas Wahlschlappe? Schon vollauf mit dem 1. Mai beschäftigt? War das Wetter zu schön, die Strecke zu weit? Die Türken zu türkisch? Oder verstößt die Teilnahme rechter Immigrantengruppen bei so manch aufrechtem Inländer gegen das politische Reinheitsgebot?

Dabei wären die Sprechchöre vom Samstag Balsam auf wunde, linke Seelen gewesen. „Hoch die internationale Solidarität“. Die zweite und dritte Generation der ImmigrantInnen - in Fliegerjacken oder Jackett, mit oder ohne Kopftuch - hat sich diesen Slogan zueigen gemacht. Ihnen war auf dieser Demo völlig egal, ob und wie oft dieses Motto zur hohlen Worthülse verkommen ist. Jetzt und hier paßt es - und macht Sinn.

Andrea Böhm