ZWISCHEN DEN RILLEN

 ■  Living in a devil town - Daniel Johnston

Ich solle die Platte nur hören, wenn ich mich gerade sehr glücklich fühle, denn die Musik sei sehr traurig, stand auf dem Cover. Es sind merkwürdige Songs und Collagen, seltsame Helden: King Kong, Frankenstein, Rocky Erikson oder die Beatles. Daniel hatte sie mit dem billigsten Recorder, den er kriegen konnte, aufgenommen. Irgendwie fahrig, immer in Moll dominiert das Klavier, und darüber, darunter liegt die dünne, fast hypnotisierende Stimme. Die Musik entfernt sich und kehrt zurück, in Wellen, als hätte man den Kurzwellensender eines fernen Landes eingestellt. Da gibt es Sehnsucht: „The sun don't shine on your tv“, merkwürdig psychedelische Coverversionen von Sechziger-Jahre-Klassikern oder Beatlesstücke, entschlossen gesungen, trotz der Angst (das unterscheidet ihn von Jonathan Richman), und Versuche, glücklich zu sein: „Happy talk“, seinen kleinen Independenthit.

Daniel wurde von der Psychopathologie mal als schizophren, vielleicht manisch depressiv, in jedem Fall als psychotisch klassifiziert. 1988 schubste er eine Frau aus dem Fenster. (Ooch, für son'n bißchen harmloses Schubsen von so'm bißchen Frau... die k.)

1961 wurde der „Lieblingspatient der New Yorker Musikszene“ (D. Diederichsen) in Sacramento, California, geboren. Es gab keine Jobs, „all we had was records“. Er begann mit Freunden im Keller der Eltern ein paar Tapes aufzunehmen. „Songs of pain & More songs of pain“. (Wie einfallsreich! d.S.) „I wanted to be the Beatles“ - das war sein Ziel; so verließ er Sacramento und lebte den ewig amerikanischen Trampmythos, jobte mal hier, mal da, kiffte, was, so behauptet er, der Grund für sein Stottern ist und landete schließlich in Austin, Texas. Dort arbeitete er bei McDonald's, wischte den Flur, machte die Tische sauber. Abends war er in den Clubs, bei den Bands. Er drückte sich immer vor der Bühne herum; verschenkte den Stars stotternd seine Lo-Fi homegrown tapes. Die hießen: „Hi, how are you?“ oder „Yip yump music“. Sie wurden zu lokalen Bestsellern. MTV, Plattenfirmen und Journalisten begannen sich für ihn zu interessieren - man sprach von Neuer Aufrichtigkeit. Eigentlich war er dabei, ein Star zu werden. Doch immer stand er sich selbst im Wege. Er fühlte sich von Dämonen, Gott und Teufeln umstellt und begann in einem Bach stehend darüber zu predigen. Freunde mußten ihn vor der Polizei retten. Auf einem Butthole Surfers Konzert dann gab ihm jemand idiotischerweise einen Trip; der tat ein übriges, die Karriere des „Kaspar Hauser Darlings“ ('Spex‘) zu unterbrechen: Daniel kriegte einen Knacks.

Auf seiner neuen LP, der ersten, die im Studio aufgenommen wurde, singt er a capella, ganz klar, über die Teufelsstadt, in der er sich damals befand: „I was living in a devil town/ Didn't know it was a devil town/ ... And all my friends were vampires/ Didn't know they were vampires/ Turns out I was a vampire myself/ In the devil town.“ Er kam ins Austin-Mental -Hospital. Auf einem Stück hört man die schlurfenden Schritte im Flur der Irrenanstalt. Nur langsam hatte er sich wieder erholt.

1988 sollte alles neu beginnen, im Studio von Kramer, in New York. Doch wieder gab es Probleme, wie immer, wenn alles eigentlich gut lief. Er malte anti-satanische Graffiti an die Freiheitsstatue und wurde festgenommen. Dann verschwand er. Vielleicht hat ihn „Casper, the friendly ghost“ gerettet; jedenfalls konnte seine Platte erscheinen.

„1990“ berichtet von Satan und über den Versuch, von ihm loszukommen: „Don't play cards with satan!“ Und niemals hat man in einem Blues, der an den frühen Bob Dylan erinnert, so ergreifend und ohne Ironie Satan anrufen gehört. Dreimal. Live. Die Fans rufen „Far out“ und merken nicht, daß das alles ernst gemeint ist: „It's true, but it's not funny“, wie es im schönsten und traurigsten Lied mit Jad Fair heißt: „Something lasts a long time“. Es gibt immer nur ein Instrument, Klavier oder Akustikgitarre, und die Stimme, die all das enthält, was Bob Dylan, John Lennon oder Neil Young einmal versprochen hatten. Dort war es jedoch nie so anrührend. Ergriffen von Glück und Traurigkeit, den Tränen nahe - „Tears, stupid tears, bring me down“ -, versucht Daniel es seinen Zuhörern im Gospel mitzuteilen, und die singen auch mit: „Funeral home, funeral home. Going to that funeral home/ Got me a carpet shiny and black/ I'm going to that funeral and I'm never coming back.“

Detlef Kuhlbrodt

Daniel Johnston, „Yip yump music„; „Don't be scared„; „1990“ - Shimmy Disc Europe