Ringen um den Runden Tisch

■ Der ANC verschiebt die erste Verhandlungsrunde mit Südafrikas weißer Regierung

Zwei Monate nach der Freilassung Mandelas und der Legalisierung des ANC ist die anfängliche Euphorie über diese Ereignisse mehr als bloßer Ernüchterung gewichen. Denn von der Peripherie der schwarzen Homeland-Ghettos bis in die Herzen der Townships rund um die weißen Städte folgt eine Meldung von Todesopfern der anderen. Doch was vom Phänomen her den Auseinandersetzungen Mitte der 80er ähnelt, ist nun Produkt eines Übergangsprozesses, der alle Agierenden in einen hochexplosiven Kontext entläßt.

Die Regierung de Klerk ist bemüht, mit der eingeleiteten innenpolitischen Öffnung außenpolitischen Druck zu mindern und die schwarze Opposition über ein Favorisieren des ANC längerfristig zu spalten. Sie hat aber andererseits mit einer zunehmenden Verunsicherung und Brutalisierung am eigenen rechten Rand zu kämpfen. Während Politiker der Nationalen Partei reden, schlägt die traditionell rechtsradikale Polizei in Townships wie Sebokeng mit beispielloser Brutalität zu und signalisiert, daß der Sicherheitsapparat den Kampf auch mit der Regierung aufnimmt.

Und auch der ANC ist unter mehrfachem Druck. Die Führung der unbestritten größten Oppositionsströmung setzt ihrem politischen Selbstverständnis nach auf Verhandlungen. Bisher vergeblich versuchte sie, linke wie rechte Opponenten zu kooptieren. Doch sowohl Gespräche mit dem Verhandlungsgegner „Panafrikanistischer Kongreß“ (PAC) als auch versöhnende Appelle an Anhänger der konservativen Zulu-Organisation Inkatha blieben erfolglos. Während der Bürgerkrieg zwischen ANC-Anhängern und Inkatha in Natal eskaliert, muß der ANC erkennen, daß seine Kontrollversuche erfolglos blieben. Im Elend der Townships wird die Welt anders rezipiert. Es ist, als tobe sich unendliche, aufgestaute Wut aus.

Die Weigerung des ANC, aufgrund der Todessalven der Polizei im Township Sebokeng nicht mit der Regierung zu ersten Konsulationen zusammenzutreffen, stimmt skeptisch. Sicherlich, die Regierung sitzt am längeren Hebel, sie ist politisch verantwortlich. Doch wieder einmal kann sie sich als der eigentliche Motor für Reformen präsentieren und die mangelnde Gesprächsbereitschaft des ANC monieren. Immer dringender sind politischer Mut und Risiko beim ANC angesagt. Mit Appellen und Reden ist genausowenig getan wie mit zu hochgeschraubten Einstiegsforderungen für Vor -Gespräche. Der ANC sollte endlich mit der Regierung verhandeln. Sonst gibt es vielleicht noch viele Sebokengs.

Andrea Seibel