Beginn einer Ernüchterung

■ Zum angekündigten Umtauschkurs für die DDR-Mark

Zumindest der ideelle Teil des Versprechens, mit dem Helmut Kohl und seine konservative Allianz die Konkurrenz bei den Volkskammerwahlen abservierten, wird erwartungsgemäß eingelöst. Die D-Mark, Symbol für Prosperität und Wohlstand, kommt. Doch sie kommt, sieht man von den Kleinstsparguthaben ab, nur halb. 2:1 ist der Kurs, zu dem der währungspolitische Anschluß der DDR jetzt in die Tat umgesetzt werden soll. Sicher, die Ernüchterung der euphorisierten Erstwähler war vorprogrammiert. Doch daß sie so schnell und ausgerechnet am symbolisch aufgeladensten Teilproblem der Wirtschaftsunion initiiert wird, ist psychologisch gesehen ein Hasardeurstück ersten Ranges. Denn daß die abrupte und massive Enttäuschung der vertrauensseligen Wähler schon mit der ersten relevanten Nachwahlentscheidung in Kauf genommen wird, verweist auf die Panik in den Bank- und Regierungsetagen. Auf den Tisch kommen jetzt die aufgestauten Vorbehalte der Bundesbank, die wider Willen und nur auf Drängen der konservativen Strategen für die Zeit des Wahlkampfes zurückgestellt wurden.

Doch die guten Argumente für die finanziellen Grenzen der Bundesregierung gehen am Kern des Skandals ebenso vorbei wie die wohlfeilen Beteuerungen aus dem Konrad-Adenauer-Haus, man habe nie den generellen 1:1-Umtausch versprochen. Versprochen wurde die harte Mark in der Lohntüte und das Ende der Mißwirtschaft. Davon, daß die Löhne halbiert und die Preise steigen werden, daß die Prosperität erst lange nach dem Konkurrenzschock der Betriebe einsetzen wird, war auf des Kanzlers Wahlfahrten nicht die Rede. Insofern ist die 2:1-Botschaft nur der Einstiegsschock für die DDR -Bürger.

Es scheint, als ob die Allianz-Partner selbst von ihren Bonner Mentoren geleimt wurden. Anders ist ihr blankes Entsetzen angesichts der neuen Marschlinie kaum erklärbar. Auch die SPD ist bestenfalls dadurch teilentlastet, daß sie die Wahlen verlor, weil sie die Suggestion im Vorfeld nicht ganz so weit getrieben hat. Daß sie die angemaßte Rolle des „sozialen Gewissens der Einheit“ wirklich ausfüllen könnte, ist allerdings durch nichts anderes bewiesen als durch die jetzt demonstrierte Empörung. Auch die avisierte große Koalition wird den Sprengsatz nicht entschärfen, der mit der schnellen Währungsunion gelegt wird. Eher wird die - um eine entscheidungsrelevante Opposition reduzierte - Demokratie das Gefühl von Enttäuschung und Ohnmacht noch anheizen. Angesichts solcher Perspektiven liegt der Realismus erneut auf der Seite bundesdeutscher Banker. Sie warnen schon jetzt vor der zweiten Revolution.

Matthias Geis