„Ich laß mich von Herrn Ebeling doch nicht wieder hinter den Kochtopf stecken“

Christine Rudolph, 32 Jahre, Tierärztin, ist Spitzenkandidatin der SPD-Thüringen und Mitglied des dortigen SPD-Landesvorstandes / „Die DSU ist eine Partei ohne Programm, da ist doch inhaltlich nichts da, und das gibt sie hier auch zu“ /Die Alternative zur großen Koalition ist für sie die Opposition  ■ I N T E R V I E W

taz: Landesweit hat man den Eindruck, die SPD scheint derzeit auf dem Weg in die große Koalition zu sein. Wie denkt man darüber in Thüringen?

Christine Rudolph:Also, was ich hier höre und was man in Berlin an Post erhält, würde ich sagen, es gibt große Haufen: Die einen sind prinzipiell gegen eine Koalition, die anderen für eine Koalition unter gewissen Bedingungen. Man muß aber eindeutig sagen, daß alle, bis auf ganz wenige, gegen eine Koalition mit der DSU sind. Die anderen sagen, na ja, mit der CDU, wenn man ein vernünftiges Programm hinkriegt, warum nicht. Es ist so viel zu tun im Land, warum soll man das nicht gemeinsam machen. In bezug auf die DSU wirkt sich hier in Thüringen immer noch der Wahlkampf aus. Außerdem ist die DSU eine Partei ohne Programm. Da ist doch inhaltlich nichts da. Und das geben die hier auch zu. Die sagen ganz locker: Wenn ihr wissen wollt, was wir wollen, fahrt rüber in den Westen und schaut's euch an.

Herr Ebeling hat sich in der letzten Woche mit den inhaltlichen Vorstellungen, die die SPD der CDU vorgelegt hat, einverstanden erklärt.

Weil sie keine eigenen Vorstellungen haben und sicher ganz dankbar sind, wenn jemand mit einem Programm auftaucht. Aber selbst in dem Programmrudiment, das sie haben, stehen Sachen drin, mit denen ich auf keinen Fall einverstanden sein kann. Zum Beispiel, daß Ausländer nichts zu sagen haben sollen, also kein Wahlrecht bekommen sollen. Auch bei der Frauenpolitik: Also, ich laß mich nicht von Herrn Ebeling wieder hinter den Kochtopf stecken.

Spielen für die Ablehnung der DSU diese Inhalte eine große Rolle, oder ist das Hauptargument der SPD gegen eine Koalition mit der DSU deren Schlammschlacht im Wahlkampf?

Im Süden ist es schon der Wahlkampf, aber insgesamt rücken die Inhalte in den Vordergrund.

Heute will der Landesvorstand gemeinsam mit der Fraktion über die Koalitionsfrage entscheiden. Angenommen, das Ergebnis heißt „Ja zur großen Koalition“ - wie wollen Sie das Ihrer Basis hier im Süden erklären?

Eine Koalition mit der DSU könnte ich hier nicht vertreten.

Wie war denn am letzten Freitag die Haltung der Fraktion zur Frage Koalition mit der DSU?

Es war eindeutig klar, daß wir mit der DSU nicht wollen. Es gibt einzelne, die sagen: Habt euch nicht so, mit dieser Sechs-Prozent-Partei werden wir doch fertig. Aber die Mehrheit in der Fraktion will das nicht. Da müßten schon ganz gravierende Gründe eintreten.

Können Sie sich solche Gründe vorstellen?

Nein, eigentlich nicht. Außerdem würden wir dann riesige Probleme mit unseren Mitgliedern kriegen. Da gibt es schon eindeutige Aussagen. Einzelne Ortsgruppen haben schon gedroht und gesagt: Wenn ihr das macht (die Koalition mit der DSU), lösen wir uns auf.

Trauen Sie Ihrer Partei die Oppositionsrolle zu?

Ja, ich könnte mir die Opposition als echte Alternative vorstellen. Ich würde es zur Zeit nicht unbedingt favorisieren, weil wir im Moment nach den ersten Gesprächen mit der CDU den Eindruck haben, daß man ein vernünftiges gemeinsames Programm machen kann. Auch mit den Liberalen kann ich es mir gut vorstellen. Klappt es nicht, hätte ich keine Angst, neben der PDS in der Opposition zu sitzen. Das graust ja viele, mich nicht. Außerdem, diese Übergangszeit wird nicht einfach sein, und es ist gut möglich, daß diejenige Partei, die auf der Oppositionsbank sitzt, als ganz starke Partei hervorgehen wird. Das scheinen die Ratgeber aus dem Westen, die uns zu einer großen Koalition raten, nicht genügend zu bedenken. Herr Gysi könnte am Ende tatsächlich der lachende Dritte sein.

Könnten Sie sich langfristig ein Modell Rot-Grün, also SPD und Grüne, wie derzeit in West-Berlin, vorstellen?

Ja, in unserer derzeitigen Situation schon. Probleme sehe ich bei der Grünen Liga oder den anderen Bürgerbewegungen. Man kommt mit den einzelnen Leuten prima aus, aber man weiß nie, spricht er für sich oder für seine Organisation. Auf jeden Fall müssen der Umweltschutz und die Ökologie mehr in den Mittelpunkt. Wir stellen uns vor, daß bei der Verfassungsdiskussion dem Umweltminister ein Vetorecht eingeräumt wird. Das wollen wir auch in die Gespräche mit der CDU einbringen.

Das Interview führte Brigitte Fehrle