Die Grünen wählen den Ausgleich

Grüner Parteitag nahm Abschied von der Zweistaatlichkeit / Niederlagen für das Bündnis Realos und „Aufbruch“ / Wahlkampfprogramm fordert ökologischen Umbau / Fischer erteilt Spaltungsgerüchten Absage  ■  Aus Hagen Gerd Nowakowski

Auf ihrem dreitägigen Parteitag in Hagen haben sich die Grünen für den Ausgleich zwischen den Strömungen ausgesprochen und ein Bundestagswahlprogramm verabschiedet. Daneben verabschiedeten sich die rund 500 Delegierten in einer deutschlandpolitischen Erklärung von der Zweistaatlichkeit. Die DDR-Wahl sei ein „Votum für die schnelle Einheit„; das gefalle den Grünen zwar nicht, müsse aber akzeptiert werden, heißt es in dem von den Realos formulierten Antrag. Abgelehnt wird eine Vereinigung nach Artikel 23, außerdem fordern die Grünen die Ausarbeitung eines neuen Grundgesetzes, weil das jetzige in „ökologischer und radikaldemokratischer Hinsicht“ ungenügend sei.

Eine große Mehrheit der rund 500 Delegierten lehnte eine Zusammenarbeit mit der SED-Nachfolgerin PDS ab; deutlich scheiterte aber auch das Bündnis aus Realos und „Aufbruch„ -Strömung mit dem Versuch einer linken Abgrenzung der Partei. Auch bei der Debatte über das Bundestagswahlprogramm scheiterte die realpolitische Strömung mit dem Versuch, die Grünen als ökologische Reformpartei auszurichten. Aber auch die Linken scheiterten mit ihren Vorstellungen.

Einige maßlos enttäuschte Realos spachen danach von der Notwendigkeit einer eigenen Organisation. Vertreter des „Aufbruchs“ verweigerten sich aber solchen Abspaltungsbemühungen. Realo-Wortführer Joschka Fischer sprach sich zum Abschluß des Parteitags entschieden dagegen aus: „Spaltung ist die falsche Antwort auf die Probleme der Grünen.“

Die Delegierten auf dem Parteitag, der unter dem Motto „Wir streiten für das Klima“ stand, verabschiedeten eine Wahlplattform, die den „ökologischen Umbau der Industriegesellschaft“, eine Demokratisierung und Pazifizierung aller zwischenmenschlichen Lebensbereiche sowie eine „Feminisierung der Gesellschaft“ und „multikulturelle Toleranz“ fordert. Der Parteitag votierte auch für den Austritt aus der Nato und die völlige Entmilitarisierung Europas.

Nach dem Willen der Delegierten, die eine Polarisierung sowohl von links als auch von Realo-Seite ablehnten, wurden als Wahlkampfschwerpunkte der Kampf gegen die Klimakatastrophe und für eine Entmilitarisierung beschlossen. Abgelehnt wurde die von den Linken eingebrachte Antifaschismus-Kampagne. Ein Zehnjahresprogramm zum Umweltschutz sieht eine drastische Verteuerung des Autofahrens vor: Der Benzinpreis soll bis zum Jahre 2000 um fünf Mark pro Liter erhöht werden. Siehe Tagesthema Seite 3

Kommentar und Doku Seite 10