„Die Kunst ist schön im Grunde“

■ Gespräch mit Ibrahim Hazimeh, dessen Bilder seit gestern in Bremen zu sehen sind

taz: Sie sind palästinensischer Maler. Was bedeutet für Sie die Malerei?

Ibrahim Hazimeh: Zunächst bedeutet die Malerei für mich, die Dinge widerzuspiegeln. Zu fühlen, daß ich schöpferisch arbeite, etwas erschaffe, was es nicht gibt. Ob man da schon von palästinensischer Kunst sprechen kann, ist, glaub ich, noch zu früh. Die Kunst einer Nation braucht Jahrtausende, um sich zu entwickeln. Palästinensische Kunst war aber tausend Jahre so gut wie tot, auf Eis gelegt, die Künstler waren beschränkt in ihrer Arbeit auf die Ornamentik, auf die arabische Schrift, eine der entwickeltsten Schriften der Welt, als Ersatz sozusagen. Aber jetzt können wir anfangen. Viele haben dabei zum Vorbild europäische Maler. Es gibt leider auch sehr viele arabische Maler, die nach Europa kommen und studieren, und die kehren zurück als Europäer. Auch ich war in meinem Leben lange Zeit abhängig davon.

Also waren Sie anfänglich noch kein palästinensischer Maler?

Nein. Ich suchte noch für mich

Elemente der palästinensischen Kunst in den alten Künsten Palästinas, bei den Kanaaniten, den Phöniziern, den Assyrern, und die habe ich in Europa gefunden. Ich war zu Beginn meiner Malerei vom Impressionismus beeinflußt, aber ich habe gemerkt, daß meine Wurzeln im arabischen Stil liegen.

Wann kamen sie nach Europa?

Ich bin 1933 in Akko geboren, Palästina, '49 sind wir geflüchtet nach Libanon, von da nach Syrien, nach Lattakia. Dort arbeitete ich im Hafen als Schreiber oder habe Schilder geschrieben in Kunstschrift, oder auch als Kunstlehrer gearbeitet an einer Schule, obwohl ich ja Autodidakt war. Ich hatte nur ein Fernstudium in Paris absolviert nebenher.

Bis ich '57 entdeckt wurde von einem Professor aus Leipzig, der ein Bild von mir, ein Porträt von Käthe Kollwitz, gesehen hatte, das war Kurt Hermann Kien, dem ich meine ganze Entwicklung verdanke. Der hat mich nach Leipzig eingeladen, um dort an der Hochschule für Grafik und Buchkunst zu studieren.

In Leipzig kam ich dann zu dem bekannten Professor Bernhard Heisig. Zwischendurch wollte ich immer wieder in meine Heimat, aber dann kam der Krieg '67, '73, dann der Bürgerkrieg und '82 die Eroberung Beiruts. 1974 bin ich dann übergesiedelt nach WestBerlin, weil ich mich weiterentwickeln wollte in der Malerei und freier bewegen.

Wie sind Ihre Bilder denn nun nach Bremen gekommen?

Ich hatte voriges Jahr eine Ausstellung in unserem Gebäude in Bonn, also in der PLO-Vertretung, das war die erste große Ausstellung, die ich hier zeigen konnte. Viele Leute haben sich dann darum gekümmert, daß die Ausstellung auch woanders gezeigt werden konnte. Z.B. auch die Deutsch -Palästinensische Gesellschaft in Bremen mit ihrem Vorsitzenden Detlef Griesche. Diese Ausstellung hier in Bremen ist die größte, die ich bis jetzt zeigen konnte, es sind 104 Aquarelle und Ölbilder.

Sie leben nun schon 30 Jahre in beiden Deutschlands, also länger

als in ihrer Heimat.

Trotzdem bin ich immer noch vor allem Palästinenser. Ich fühle mich zwar nicht fremd hier, aber mein Herz schlägt immer noch für Palästina. Ich male ja auch palästinensische Menschen und Themen, und die Frau spielt bei mir die erste Rolle, das Kind auch, denn die Frau symbolisiert die Nation, bei uns heißt das Land ja auch Mutterland und nicht Vaterland.

Sie malen aber auch den palästinensischen Befreiungskampf.

Ja. Seit der Zeit der Intifada. Die ersten Bilder, die wir von dem Kampf der Intifada bekommen haben, habe ich im Fernsehen gesehen, und das hat mich so bewegt, daß ich sofort etwas malen mußte, als Reaktion von mir, als Anteilnahme.

Früher war ich in meiner Malerei sehr weit weg von den täglichen Ereignissen, aber jetzt mußte ich meine Wut gleich umsetzen in Farbe und Form und mir war klar,

jetzt mußte ich mich mit dem Thema beschäftigen: mein Volk kämpft auf seine Art für seine Selbstbestimmung und opfert sich, und ich lebe weit weg. Meine Malerei bringt mich wieder nah und ich kämpfe auf diese Art und Weise.

Meine Philosophie besteht aus den Kontrasten, ich stelle das Böse, das Gute, das Helle und das Dunkle nicht einfach nebeneinander, sondern mit einer Überbrückung. Ich will Harmonie. Ich male Kirchen, Moscheen, Synagogen, um zu zeigen, es gab Zeiten, da war kein Unterschied zwischen Moslems, Juden oder Christen. Und die Frauen stehen verwurzelt da wie Bäume, senkrechte Figuren, unbeugsam, obwohl leidend seit 40 Jahren. Gespräch: clak

Die Ausstellung von Ibrahim Hazimeh im Staatsarchiv (Am Kennedyplatz) ist zu sehen Montag bis Mittwoch 9-16 Uhr, Donnerstag 9-20 Uhr, Freitag 9-15 Uhr.