Amnesty international in Ost-Berlin gegründet

■ Gründungskongreß am Wochenende in der Golgatha-Kirche mit 350 Teilnehmern / Auch internationale Delegationen waren anwesend / Sitz von ai-DDR soll Karl-Marx-Stadt werden / Amnesty international residiert im ehemaligen Stasi-Büro / Schwerpunkt: Asylrecht in der DDR

Am vergangenen Samstag gründete sich in Ost-Berlin die Gefangenenhilfsorganisation amnesty international. Sitz der internationalen Menschenrechtsorganisation ist Karl-Marx -Stadt. Über 350 Interessierte nahmen an der Gründungsfeier in der Ostberliner Golgathakirche teil, teilte Pressesprecher Martin Hoffmann von der Vereinigung amnesty international in der DDR mit. „Das Interesse ist riesig. Damit haben wir nicht gerechnet.“

Eigentlich wollte Martin Hoffmann, einer der Initiatoren, bereits im Oktober vergangenen Jahres einen eigenen DDR -Verband von amnesty international gründen. Bis dahin war die international anerkannte Menschenrechtsorganisation von den DDR-Oberen verboten worden. Im Herbst habe er das Gefühl gehabt, alle Welt kümmere sich nur um die DDR, erzählt Hoffmann. Die Bürger hier seien nur auf sich und ihre Probleme fixiert gewesen (gerade auch die Oppositionellen), und da sei der Wunsch aufgekommen, „mal nach draußen zu gucken“. Aufgrund der aktuellen Ereignisse jedoch mußte die Gründung von ai in der DDR noch um mehrere Monate aufgeschoben werden. Anfang Januar meldete sich nur ein kleines Häufchen von 25 Interessierten. Jetzt zählt ai bereits 400 Mitglieder.

An der Gründungsveranstaltung nahmen auch Delegationen aus Schweden, Dänemark, Österreich und natürlich der Bundesrepublik teil. Unter den Gästen waren Vertreter vom internationalen ai-Exekutivkomitee und des Londoner ai -Sekretariats, der Zentrale von amnesty international.

Die Arbeit für die Menschenrechtsorganisation will Hoffmann erst mal langsam angehen lassen. Das erste Ziel sei, bevor man sich in größere Aktionen stürzen will, stabile Gruppen aufzubauen, die über ein funktionierendes Kommunikationssystem verfügen sollen. Das jedoch fehlt der Berliner Zentrale bislang. Die Organisation bezog ein ehemaliges Stasi-Büro in der Memhardstraße, doch die Stasi -Telefonnummer ist bis heute noch nicht freigegeben worden.

Auf der Gründungsveranstaltung erließ der neue ai-Verband drei Resolutionen. Darin fordert ai die Regierungen von Südkorea, dem Tschad und El Salvador auf, den ständigen Menschenrechtsverletzungen in ihren Ländern entgegenzuwirken. In der nächsten Zeit plant ai, so Pressesprecher Hoffmann, Briefaktionen in alle Welt für politische Häftlinge („Häftling des Monats“). Außerdem will ai an Kampagnen teilnehmen, die vom Westberliner ai-Büro aus koordiniert werden und sich auch an internationalen Aktivitäten beteiligen. Inhaltlicher Schwerpunkt der künftigen Arbeit wird nach Aussage von Hoffmann die Auseinandersetzung mit dem Asylrecht in der DDR sein.

Julia Schmidt