Medien als Träger der Demokratie oder als Baustein der Macht?

■ Widersprüchliches in den Medienkonzeptionen von CDU, DA, SPD und Liberalen / Die elektronischen Medien haben es den Parteien angetan / Funkmedien zwischen Kommerz, Parteien und Staat / Wenig zur Presse

Was die zukünftigen Regierungsparteien so treiben, kann man in den Medien verfolgen, was sie mit den Medien so treiben wollen, ist bislang noch nicht absehbar. Betrachtet man deren bisherige Äußerungen, einschließlich SPD, kann man sich seinen Reim auf die Zukunft der DDR-Medien machen.

Zur Frage nach dem Platz der Medien in einer demokratischen Gesellschaft. Noch im Dezember 1989 setzte der Demokratische Aufbruch auf eine vierfache Gewaltenteilung. Neben Legislative, Exekutive und den Gerichten sollte die Öffentlichkeit als vierte Säule stehen. Das „Prinzip Öffentlichkeit“, so das DA-Programm, sei Voraussetzung für Demokratie. Das allerdings war im Dezember 1989. Den seither vollzogenen Mutationen des DA ist seine Programmatik nicht gefolgt.

Die CDU befürwortet die übliche Dreiteilung der Gewalten. Für die Christdemokraten haben Medien „der Verbesserung der Information und der umfassenden Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Bildung und Unterhaltung“ zu dienen. die Unionsprogrammatiker gehen davon aus, daß gesellschaftlicher Pluralismus und weltanschauliche Pluralität „Voraussetzung für die Ausgestaltung des gesellschaftlichen Lebens in den unterschiedlichen Formen der Kommunikation“ sind. „Eine besondere Bedeutung erhalten sie für die Medienpolitik.“

Sind also für die CDU Medien Ausdruck der Demokratie, versteht (oder verstand) der DA Öffentlichkeit und freie Medien als Voraussetzung der Demokratie. Für die einen ist Pluralismus wichtig für die Medien, für die anderen sind für jeden Bürger zugängliche Medien Bedingung für Pluralismus. Der erhebliche Unterschied in dieser Frage wurde mit dem Sofortprogramm der Allianz aller Deutschen begraben: Man adelte gemeinsam das Grundgesetz der BRD zum wundertuenden Fundament jedweder DDR-Perspektive und verzichtete so auf selbstproduzierte Visionen.

Könnte nun die Allianz den Anschluß ohne fremde Hilfe vollziehen, bräuchte man gar nicht weiter nachdenken. Aber man braucht die SPD, und die hat sich zu den Medien auch etwas gedacht. Ihre Vorstellungen kommen denen des DA von 1989 nahe und sind im Herangehen denen der CDU entgegengesetzt.

Die Sozialdemokraten bekennen sich zu einer „vom staatlichen Zugriff unabhängigen Öffentlichkeit“, die den Staat kontrolliert. Öffentlichkeit sei Lebenselement der Demokratie.

Sollten die Parteien ihre entgegengesetzten Denkansätze konsequent zu Ende spinnen, müßte es in der neuen Regierung wegen der Medienpolitik Krach geben.

Die elektronischen Medien haben es den Parteien angetan. Kaum, daß sie etwas zur Presse zu sagen wissen. Aber aufs Fernsehen scheinen alle heiß zu sein. Einig sind sich SPD und CDU über die Bildung von Landesfunkanstalten, die gemeinsam den DFF darstellen sollen. Dieser wäre dann neben ZDF und ARD die dritte große deutsche Flimmerkiste.

Die CDU bekennt sich generell zur öffentlich-rechtlichen Grundlage der Funkmedien. Aber nur generell. In Anlehnung an Pläne der Generalintendanz des Fernsehens träumt CDU -Medienexperte Henning Stoerk (bis vor kurzem noch CDJ-Chef, sozusagen Jugendexperte) von einer vierten großen Funkanstalt: EURO-D. Stoerk, der sich schon mehrfach als der neue Generalintendant der Funkmedien ankündigen ließ, kann sich hier eine Beteiligung privater Anbieter (er selbst ist Geschäftsführer der MEDIANOVA, einer neugegründeten, unabhängigen Fernsehstation) vorstellen, die sich mit jenen Konkurskrümeln des DFF, die nicht in die Regionalisierung eingehen, vereinen. Spätestens hier müßten sich die Liberalen ihrer als LDP gegebenen Wahlaussage erinnern, wonach „vorerst Schutz der elektronischen Medien vor kommerziellem Einfluß„ gewährt werden soll.

Die Haltung der SPD scheint dem liberalen Ansinnen ähnlich. Sie tritt für eine „eigenständige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ ein und für seine politische und ökonomische Unabhängigkeit von der Wirtschaft, was eigentlich einen privaten Kapitaleinstieg in den öffentlich-rechtlichen Mediensektor ausschließen müßte. Für kommerzielle Anbieter sieht die SPD im funkelektronischen Bereich Raum neben den bestehenden Anstalten.

Uneins sind sich die Parteien über die Zusammensetzung der Räte, die die Sender verwalten sollen. Die Liberalen verlangten noch im Dezember (damals als LDPD) direkten Einfluß auf die Programmgestaltung der Sender. Heute wollen sie, wie auch die Sozialdemokraten, von Staat und Parteien unabhängige Medien.

Die Liberalen, der DA und die SPD sind sich einig im Willen nach freiem Zugang aller Bürger, Vereinigungen und Gruppen zu den Medien. Diese Forderung steht inhaltlich der Idee von den Medien als Teil einer mit der Öffentlichkeit zu konstituierenden Vierten Gewalt nahe. Doch nur der DA bekennt sich konsequent zu aufsichtsführenden Medienräten, in denen „alle gesellschaftlich relevanten Gruppen“ vertreten sein sollen. Tatsächlich könnten Runde Tische als Aufsichtsgremien die Sendeanstalten unabhängig von Parteien und Regierungen machen.

Die CDU will es anders. Sie möchte die öffentlich -rechtlichen Medien einer parlamentarischen Kontrolle unterwerfen, nichts also von vierfacher Gewaltenteilung. Die die Administration stützende Mehrheit im Parlament könnte derart die Funkmedien zu direkten Lautsprechern der Regierung degradieren. Nichts ginge gegen den Willen der regierenden Mehrheit.

Im Dezember, als die CDU die Grundsätze für ihr neues Programm vorlegte, sagte man dies noch nicht so unverholen. Damals war man noch für Rundfunk- und Fernsehräte mit „Vertretern aller Parteien“, die den Volksvertretungen rechenschaftspflichtig sein sollten - was im Grunde dasselbe, nur eben nicht so einfach gewesen wäre.

Weder von den guten Wünschen des DA noch von der veränderten Haltung der CDU ist mit dem Allianzprogramm etwas übriggeblieben. Hier findet sich zu den Funkmedien gar nichts.

Vielleicht, daß die Parteien zur Presse ein gestörtes Verhältnis haben, so daß sie in programmatischen Aussagen kaum Erwähnung findet.

Wenn die Liberalen wirklich „staatlich und parteipolitisch unabhängige Medien„ wollen, wie es im Wahlprogramm der LDP heißt, müßte sie wohl als erstes ihre eigenen Blätter aufgeben. Aber es ist wohl nicht so gemeint, immerhin forderte die Partei noch im Dezember für ihre Printen eine ihrer politischen Bedeutung angemessene Auflage.

Die SPD will mit einer dezentralisierten Vielfalt von Medien „einen direkteren Zugang der Bürgerinnen und Bürger zur Öffentlichkeit“ ermöglicht wissen. Der Staat sei verpflichtet diese Medienvielfalt zu schützen und auf die Berücksichtigung der Medieninteressen von Minderheiten hinzuwirken. In diesem Sinne scheinen schon jetzt ökonomische Schutzmaßnahmen des Staates gegen den Druck der großen Westverlage notwendig. Aber angesichts der allenthalben anzutreffenden Sorglosigkeit bei sogenannten und tatsächlichen Medienexperten, Parteien und selbst bei Journalisten sind Entscheidungen kurzfristig kaum zu erwarten.

Gar nicht zu erwarten sind sie von der CDU. Sie wird die Presse dem Markt ausliefern: Für „Medien, die von den Parteien, Organisationen oder von Gesellschaften privaten Rechts betrieben werden, ist der Markt die Form der gesellschaftlichen Kontrolle.“ Das heißt also, daß der Markt selektiert, daß Pluralität der sozialen und politischen Interessen nicht nach ihrer Notwendigkeit für ein demokratisches Staatswesen, sondern entsprechend ihres Marktwertes in den Medien präsent sein werden.

Wo bleiben dann die unverfälschten Stimmen der finanzschwachen Gruppen, Schichten und Parteien? Wo bleiben dann unliebsame Oppositionelle, die nicht die notwendigen Gelder haben, um eigene Presseunternehmen aufzuziehen? Rundfunk- und Fernsehräte, die nach Vorstellung der CDU die Bildung von Regierungsmehrheiten nachvollziehen, lassen die Störenfriede sicher nicht auf den Sender. Über kurz oder lang hätten wir wieder das, was wir vorher schon hatten: Die Mächtigen machen die Medien, die Meinungen und das Rennen.

Kommt es vielleicht zum großen Streit zwischen Regierung und Journalisten? Immerhin gibt es die IG Medien und mit ihr Streikrecht, Tarifautonomie, Aussperrungsverbot und das Recht auf Gesetzesinitiative. Aber vieles spricht gegen den Streit: Der VdJ denkt über ehtisch-moralische Selbstauflagen nach, statt zum Widerstand zu mahnen. Die Redaktionen der Funkmedien haben noch immer kein statutarisch verbrieftes Mitspracherecht bei Entscheidungen. Von den allerorts anzutreffenden Illusionen über die marktwirtschaftlich organisierte Presse war schon die Rede. Widerstand unmöglich? Auf jeden Fall wäre er angebracht.

Claus Frank