SPD will doch mitregieren

■ Präsidium und Fraktionsvorstand beschließen Koalition „mit klarer Mehrheit“ / DSU kein Hindernis mehr /Meckel Außenminister? SPD hält Regierungsbildung noch vor Ostern für denkbar / Richard Schröder zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt

Berlin (taz) - In der Nacht zum Dienstag haben SPD-Präsidium und Fraktionsvorstand den lange erwarteten Beschluß gefaßt: Die SPD will sich an der DDR-Regierung beteiligen. Noch kurz vor der entscheidenden Sitzung hatte der Parteivorstand die Wahl-Erklärung, eine Koalition sei nur ohne DSU möglich, erneuert. Welche Überlegungen dann doch zu einer anderen Entscheidung geführt hatten, wollten der amtierende Fraktionsvorsitzende Richard Schröder und der bis dato Parteivorsitzende Markus Meckel noch nicht verraten.

Wichtig für die SPD sei allerdings, berichtete Markus Meckel, die Frage: „Wo wird entschieden?“ Einen Vorgang wie den Ende vergangener Woche, wo die Frage des Umtauschkurses bei der Währungsunion von der Bundesbank und dem BRD -Finanzminister Waigel praktisch entschieden wurde, bevor die neue DDR-Regierung handlungsfähig ist und ohne die DDR -CDU auch nur zu konsultieren, sei „ein dolles Ding“, meinte Schröder. Wichtig für die SPD sei, daß bei Beratungen der DDR-Regierung nicht „von der ersten Pause an“ das Bonner Adenauer-Haus oder die Münchener CSU ständig präsent sei.

Die Personaldecke der CDU sei schwach, die SPD müsse Interesse haben an einer selbstbewußten Vertretung der Interessen der DDR-Bevölkerung. Daß die „SED-PDS“ bei einer großen Koalition die einzige große Oppositionspartei sei, „da ist uns nicht wohl dabei“, meinte Schröder. Aber die Alternative sei ein Zustand, in dem eine SPD in der Opposition von der SED-PDS „dauernd von hinten umarmt“ werde; „diese Nähe ist uns auch nicht lieb.“

Richard Schröder ist dann am Dienstag mittag von den SPD -Volkskammerabgeordneten mit großer Mehrheit zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt worden. Der 57-jährige Pfarrer und Mathematikprofessor betrachtet seine politische Tätigkeit „als vorübergehende Nothilfe für die Zeit der Festigung des demokratischen Rechtsstaates“. Mir der Stasi habe er „nur einmal direkte Bekanntschaft“ gemacht.

Über personelle Ansprüche in der Regierung wollten Meckel und Schröder nicht reden. Interessant sei das Außenministerium, meinte Meckel. Für dieses Amt werden ihm selbst Ambitionen nachgesagt. Auch für die Ressorts von Arbeit und Soziales bestehe Interesse. Die SPD will zudem sichern, daß mit der Ausländerfrage „sensibel umgegangen“ wird, Wissenschaft und Kultur sei auch so ein sensibler Bereich. Wenn er die Ministerien durchgehe, so meinte Schröder, komme er nicht an den Punkt, „wo wir sagen, ja, das wäre gut, wenn die DSU das machen würde“. Insbesondere die Besetzung des Innenministeriums, das die DSU für sich reklamiert habe, könne man sich „nicht gut vorstellen“. Er sei noch nicht in Bayern gewesen, räumte Meckel ein, wenn er sich die Arbeit eines DSU-Ministeriums vorstelle, „dann wird mir einfach schlecht“. Gegenüber den Medien hatte der DSU -Chef Ebeling von einer Entschuldigung für Wahlkampf -Beschimpfungen gesprochen. Eine solche Entschuldigung könnte hilfreich sein, meinte Meckel, allerdings habe die SPD bisher nur über die Medien von dieser Absicht erfahren.

Auch die SPD hält eine Regierungsbildung noch bis Ostern für möglich.

K.W.