„Wir wollen vielen den Weg zu einem anderen Israel zeigen“

■ Deutsch-Israelische Gesellschaft in Bremen mit 200 Mitgliedern gegründet / Korrektur des einseitigen Israel-Bildes / taz-Gespräch mit dem 1. Vorsitzenden, Dr. Helmut Hafner

Die Hafenstadt Haifa ist offiziell Bremer Partnerstadt in Israel. Aber: „Es genügt nicht, die Entwicklung und Pflege der deutsch-israelischen Beziehungen staatlichen Stellen zu überlassen.“ So steht es in den Leitsätzen der Deutsch -Israelischen Gesellschaft.

Über 200 BremerInnen wollen mit diesem Vorsatz jetzt ernst machen und gründeten eine Bremer Sektion der Deutsch -Israelischen Gesellschaft. Erstes Mitglied der neuen Gesellschaft: Bremens Bürgermeister, Klaus Wedemeier, höchstpersönlich. Wedemeiers Amtsvorgänger, Hans Koschnick, ist zweiter Vorsitzender der Gesellschaft, deren Hauptsitz Bonn ist und die schon in vielen bundesdeutschen Großstädten regionale Arbeitsgemeinschaften gegründet hat.

Über „erstaunliche große Resonanz“ auch in Bremen freut sich Dr. Helmut Hafner. Hafner, der im Hauptberuf Referent Klaus Wedemeiers in der Senatskanzlei ist, wählten die 200 Mitglieder der ersten Stunde zu ihrem Vorsitzenden.

Hauptaufgaben der neuen Gesellschaft sieht Hafner im Kulturaustausch, in einer Korrektur des einseitigen Israel -Bildes in der Bundesrepublik und in der Bekämpfung von Antisemitismus, „wo immer wir ihn antreffen“.

Interessierte können sich unter der Telefonnummer 3614955 direkt an Hafner wenden oder vorher noch das taz-Gespräch mit dem Bremer Vorsitzenden der Deutsch-Israelischen Gesellschaft lesen.

taz: Eine deutsch-israelische Gesellschaft in Bremen. Ist das nicht von vornherein ein Spagat zwischen eigener historischer Schuld gegenüber Israel und notwendiger aktueller Kritik an Israel?

Helmut Hafner: Das ist eine schwere Frage. Aber: Beides bedingt einander. Die historische Schuld der Deutschen ist klar und bringt uns in eine ganz besondere Verantwortung für die Juden. Aber diese besondere Verantwortung heißt auch, Kritik an Politik zu üben, die uns nicht gut erscheint. Gerade gegenüber einem Freund bin ich ja auch verpflichtet, ihm die Wahrheit zu sagen.

Eine solche Gesellschaft lebt ja nicht von ihren Mitgliederversammlungen, sondern von den Beziehungen, die sie zwischen Bremern und Juden in Israel herstellen kann. Kann man sich dabei Kritik leisten?

Aber natürlich. Es gibt das Sprichwort „Wo elf Juden zusammen sind, gibt es 12 verschiedene Meinungen“. Israel ist eine lebendige Gesellschaft, die voller Widersprüche ist. Die Hauptkritik, die in Europa an Israel geübt wird, wird zunächst ja auch in Israel geübt, von den Juden selbst...

..., die dafür aber unter Umständen mit Repressionen rechnen müssen.

Das mag ja sein. Aber trotzdem gibt es eine breite Oppositionsbewegung.

Kannst Du Dir vorstellen, daß Vertreter beider Seiten sich z.B. in Bremen an einen Tisch setzen, als Gäste der deutsch -israelischen Gesellschaft.

Das hoffe ich jedenfalls. In Israel zählen Anhänger des Likud jedenfalls ebenso zu meinen Freunden wie Anhänger der Linken. Und genauso habe ich auch Freunde unter Palästinsern. Und auf allen Seiten gibt es Menschen, die die gegenwärtigen Bedrängnisse überschreiten können und Verständnis für den jeweils anderen gewinnen. Um die geht es.

Nun hat eine deutsch-israelische Gesellschaft in Bremen wahrscheinlich ja nicht in erster Ersatzverhandlungen zwischen Juden und Palästinensern zu organisieren, sondern auch eine Aufgabe gegenüber den Bremern. Wie lautet die?

Das erste ist: Wir wollen jedem Antisemtismus entgegentreten. Überall, wo Antisemitismus sich Bahn bricht, wollen wir widerstehen. Auschwitz hat Menschen völlig vernichtet. Wir sind mit der Schuld sehr milde umgegangen. Das hat Folgen bis heute. Ich bin überzeugt: Die Gleichgültigkeit gegenüber dem Hungertod von täglich tausenden von Menschen, die Gleichgültigkeit gegenüber dem Sterben der Natur, die Tatsache, daß wir Gefolterte zu ihren Peinigern zurückschicken, daß in Berlin Ausländern öffentlich-rechtlich „Spiel mir das Lied vom Tod“ vorgespielt wurde, das sind alles Folgen der Unmenschlichkeit, die Auschwitz ermöglicht hat und die immer noch weiterlebt. Nicht vergessen zu lassen, sondern zu erinnern, ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben für uns.

Die Bilder, die man heute aus Israel sieht, sind Bilder von Militärpolizisten, die mit Maschinengewehren Steine werfenden Kindern gegenüber stehen. Schieben sich diese Bilder nicht zwangsläufig vor diese Erinnerungsarbeit?

Ja. Diese Bilder von Israel haben in den letzten Jahren die Öffentlichkeit beherrscht. Dahinter gibt es aber noch ein anderes Israel. Und es ist unsere Aufgabe, auch dieses andere Israel sichtbar zu machen. Ein Israel, das die besondere jüdische geistige Kultur zeigt. Und zwar besonders vor dem Hintergrund, daß wir Deutsche das deutsche und das osteuropäische Judentum ausgerottet haben. Ein Stück dieser Kultur wollen wir wieder zurück zu uns bringen. Gerade denen, die in den letzten Jahren nur noch den Blick auf die Intifada gerichtet haben, wollen wir noch einen anderen Weg zu einem anderen Israel zeigen.

Wie macht man das?

Wir wollen natürlich vor allem Begegnungen zwischen Menschen aus Israel und Bremern ermöglichen. Das ist unser erstes Ziel. Nicht so, daß wir die Fest-und Staatsakte inszenieren und Politiker zusammenbringen. Sondern: Menschen sollen Menschen begegnen. Vor allem wollen wir Künstler, Schriftsteller, Maler, Filmemacher einladen, die uns dieses andere Israel zeigen können. Und wir wollen natürlich vor allem auch, daß Jugendliche sich kennenlernen.

Es gibt in Bremen bereits eine deutsch-palästinensische Gesellschaft. Kannst Du Dir eine Zusammenarbeit vorstellen?

Wir haben das Glück, daß wir Mitglieder haben, die in beiden Gesellschaften arbeiten. Mein größter Wunsch wäre, daß die Gruppe kein Verein von Gleichgesinnten und Eingeweihten wird, sondern eine Gruppe von Menschen, die sich miteinander streiten können, wo Meinungen aufeinander prallen können. Nur in einem müssen wir uns einig sein: In unserem Eintreten für Menschlichkeit.

Fragen: K.S.