Streit um Abgeordneten-Gesäß

■ „Arsch“ mit zwei Seiten: SPD-Abgeordnete beleidigt, Kellner verlor Job

Das erste Gebot muß im Geltungsbereich „Bremen“ umgeschrieben werden. Es lautet ab sofort: Du sollst Dir vom Hinterteil Deiner Volksvertreter kein Bildnis machen. Denn: Wer sich unautorisierte Urteile über Dimensionen und Funktionen von Abgeordneten-Gesäßen anmaßt, fliegt. Und zwar aus dem öffentlichen Dienst, und das fristlos.

12 Jahre lang durfte der gelernte Kellner und Konditor Dietmar S. in der Bremer Bürgerschaft und im Rathaus Abgeordneten Kaffee und Tee einschenken und hochkarätigen Staatsgästen möglichst würdevoll Spargel und Chateaubriand vorlegen. Jetzt fand die Kellner-Karriere im Staatsdienst ein abruptes Ende. Grund: In einer öffentlichen Debatte hatte S. sich - außerdienstlich, auf neutralem Boden und sozusagen in seiner Eigenschaft als Staatsbürger und Privatier - angeblich zu folgender Äußerung über die Hastedter SPD-Abgeordnete Gisela Fröhlich hinreißen lassen: „Sie sitzen sich doch auch nur den Arsch platt, stecken Ihre Diäten ein und versuchen nach Ihrer politischen Karriere noch einen lukrativen Job in der Wirtschaft zu kriegen.“

Der böse Satz war im Grunde gut gemeint. Gut gemeint allerdings gegenüber der umstrittenen Bremer Diskothek „Aladin“, die S. seit vielen Jahren als Ausgleich zu seinem Bürgerschaftsjob besucht. Als die SPD-Abgeordnete seiner Lieblings-Disko vor versammelter Hastedter Nachbarschaft jüngst reine „Profitgier“ vorwarf, hatte S. sich deshalb verpflichtet gefühlt, den Aladin-Betreibern mit seinen Mutmaßungen über den Einfluß der Karriereplanung auf die Anatomie von Abgeordnetenärschen beizuspringen. Das sollte Folgen haben.

Schon am nächsten Tag beschwerte Fröhlich sich im Fraktionsvorstand ihrer Partei über die „Art und Weise, in der sich gewählte Mandatsträger von Bürgerschaftsbediensteten öffentlich behandeln lassen müssen.“ Vom Fraktionsvorstand ging die Angelegenheit in den Bürgerschaftsvorstand. Dort beschlossen auch die CDU -Vertreter (Grüne und FDP gehören diesem Hort der Hüter des freien Wortes nicht an), auf S. Kellnerdienste mit sofortiger Wirkung zu verzichten. Schon einen Tag später verkündete Bürgerschafts-Ober-Organisator Hartmut Weinmann das Urteil: S. kann in Zukunft bedienen, wen er will, Bremer Abgeordnete nicht mehr.

Eine förmliche Entschuldigung des geschaßten Kellners lehnte Gisela Fröhlich inzwischen ab. Seinen Beteuerungen, den „Arsch“ einer Abgeordneten nie in den Mund genommen zu haben, glaubt sie nicht. Jetzt sucht S. Zeugen, die bestätigen können, daß im Verlauf der besagten Debatte „keine Kraftworte“ gefallen seien, und erwägt eine Schadensersatzklage gegen die Bürgerschaftsabgeordnete.

K.S.