Höllengeräusche im Kinderzimmer

Berliner Jugendliche über ihre Erfahrungen beim Gläserrücken und Geisteranrufen  ■ I N T E R V I E W

Reiner: Wir haben zu dritt Buchstaben kreisförmig auf den Tisch gelegt, die Hände aufs Glas gelegt und irgendeinen Geist angerufen. Wir kamen uns erst ziemlich blöde vor dabei, bis das Glas sich dann bewegt hat. Wir haben erst gedacht: Da schiebt einer von uns das Glas. War aber nicht. Wir haben Antworten auf Fragen bekommen, die keiner von uns so hätte geben können. So Wörter wie „sein“ mit „Y“ geschrieben. Ziemlich merkwürdig. Ich hab's auch nur zweimal gemacht. Beim zweiten Mal hatten wir dann mehrere Geister. Die haben wir nach einer Kette gefragt, die wir verloren hatten. Wir haben sie dann auch gefunden.

Meike: Einmal saß ich am Schreibtisch, hab‘ gearbeitet. Da hing in meinem Zimmer so'n Bügel im Schrank, der hat plötzlich in ganz gleichmäßigen Abständen angefangen zu klappern. Ungefähr so fünfmal hintereinander. Ich hab‘ dann da hingeguckt, hab‘ den sich noch zweimal bewegen sehen. (...) Beim ersten Mal hat das noch ziemlich lange gedauert, bis wir Kontakt hatten. Wir wollten das einfach mal ausprobieren. Das hat etwa eine Dreiviertelstunde gedauert, bis sich das Glas bewegt hat. Am nächsten Tag nur noch eine halbe Stunde, zum Schluß war der Geist schon nach fünf Minuten da. Es war auch immer derselbe, 1916 ist er gestorben. Er hieß Wilmar, später hat er dann zu uns gesagt, wir könnten auch Willi zu ihm sagen. Er hat gesagt, daß er erschossen worden ist, im Krieg.

Worüber habt Ihr Euch denn unterhalten?

Meike: Am Anfang waren das ganz simple Sachen. Meinen Namen, die Namen von den anderen beiden, die mitgemacht haben, Geburtsdaten und so weiter. Und dann natürlich Sachen über sein Leben. Mir wurde das irgendwann zu unheimlich. Ich hab‘ nachts schlecht geschlafen und hatte manchmal das Gefühl, als ob mich irgend jemand anfaßt. Ich weiß nicht, ob ich mir das alles eingebildet hab‘.

Cari: Wir wollten halt was rausfinden. Über das Sterben und so. Was da passiert.

Meike: Ja, was danach ist. Wo man dann hinkommt, wie die sich jetzt fühlen. Da kam immer die Antwort, daß es langweilig ist. Das Leben danach, meine ich. Ich glaube denen das auch. Wir haben uns auch verarscht gefühlt von denen. Der eine, dem war auch so langweilig, der hat mit uns so ein total komisches Spiel gemacht. Wir wollten mit dem reden, aber der wollte spielen: RIO hieß das. Wir sollten dann ein Markstück in das Glas tun. Das Glas ist dann im Kreis rumgewandert, das wurde immer schneller. Das war ein richtiges Höllengeräusch.

Rüdiger: Also, ich hätte panische Angst davor, daß der Kontakt dann von der anderen Seite aufgenommen wird. Wir wissen doch gar nicht, was wir da aufstöbern. Eine Freundin von mir konnte davon nicht mehr wegkommen, weil der Geist immer wieder Kontakt wollte. Sie konnte nicht mehr bestimmen, wann sie wollte, sondern er hat diktiert, wann er wollte. Er hat dann von sich aus auch Fragen gestellt. Nicht sie, er! Was mir aufgefallen ist: Die Geister sind immer eines unnatürlichen Todes gestorben. Ich glaube, die stehen genau zwischen Jenseits und Diesseits.

Interviews: CC Malzahn