piwik no script img

„Politisch falsch, dumm, mimosenhaft“

■ Stellungnahmen zum Rücktritt von Albert Eckert, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses / „Weitere Wunde“ für Koalition / Rathaus ist „miefig-verklemmter Männerstammtisch“

Für den Geschäftsführenden Ausschuß (GA) der AL ist die Kampagne gegen Albert Eckert der Beweis dafür, daß das Parlament ein „beliebiger Männerstammtisch“ ist, bei dem „auf miefig-verklemmtem Niveau mit sexuellen Minderheiten“ umgegangen wird. Der GA findet es „beschämend, daß die Denunziationskampagne des Herrn Wienhold nicht auf den entschiedenen Protest der SPD gestoßen ist“. Der GA respektiert dann auch Eckerts Rücktritt, weil er „sich nicht weiter der gegen ihn gestarteten Schmutzkampagne aussetzen“ wollte.

Manche in der AL finden Eckerts Rücktritt allerdings nicht richtig. Michael Hammerbacher, Geschäftsführer des AL -Nachwuchses „Alternative Jugend“, meinte, daß Albert Eckert sein Amt „hätte behalten müssen“. Daß er gestern nun doch zurückgetreten ist, versteht Hammerbacher nicht, „weil er sich zu seinem Schwulsein bekannt hatte“.

Micha Schulze von der AL Charlottenburg findet Eckerts Rücktritt gar „politisch falsch, dumm und mimosenhaft“. Eckert hätte die Kampagne „belächeln sollen“. Schon die Klage gegen Schmutzkampagnen-Meister Klaus-Herrmann Wienhold (CDU-Abgeordneter) fand Schulze falsch. Wer sich durch das Wort „Stricher“ beleidigt fühle und vor Gericht ziehe, trage mit dazu bei, daß Stricher „diskriminiert und das Thema darüber tabuisiert“ werde. Durch seinen Rücktritt blieben die Vorwürfe gegen Eckert „hängen“. Schulze bemängelt, daß Eckert sich der Auseinandersetzung entzogen hat.

Die „Humanistische Union“ ist betroffen, weil „ein großer Teil des mächtigen rechtskonservativen Spektrums in der Bundesrepublik offenbar immer noch nicht ertragen kann, daß Angehörige von Minderheiten führende Positionen in Staat und Gesellschaft bekleiden“.

Dirk Schneider vom AL-Basisbüro ist „deprimiert“. Daß jemand wegen dieser Vorwürfe zurücktreten müsse, „macht Politik nicht schöner“. Das Verhalten der SPD füge der Koalition eine „weitere Wunde“ zu.

Das „Treffen der Berliner Schwulengruppen“ (TBS) stellt fest, daß in der „modernen Weltstadt Berlin offenbar verklemmte Sexualmoral, gepaart mit Voyeurismus und Heuchelei, fröhliche Urständ feiern sollen“. Das TBS findet „befremdlich, daß ein Mitglied einer Partei, die sich sonst an erster Stelle für die Wirtschafts- und Gewerbefreiheit einsetzt, verhindert, daß erotische Schönheitsmassagen als gewerbliche Dienstleistung anerkannt werden“.

Der „Bundesverband Homosexualität“ stellt fest, daß „Prostitution eine Tätigkeit ist wie jede andere. Der Strichjunge oder die Hure bieten Dienstleistungen gegen Geld an“.

diak

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen