Bei Berlitz wird wieder gestreikt

■ Die SprachlehrerInnen der Berlitz-Schulen wollen einen Tarifvertrag, der die Arbeitszeiten regelt und das Einkommen erhöht / Lehrer und Lehrerinnen erfahren erst am Nachmittag, welche Unterrichtsstunden sie am folgenden Tag tatsächlich halten müssen

Seit Montag wird an den drei Berlitz-Sprachschulen in Steglitz, Wedding und am Ku'Damm erneut gestreikt. Rund 80 Prozent aller Mitarbeiter, in Berlin sind das 50 SprachlehrerInnen, beteiligen sich damit an einem bundesweiten Streik, zu dem der GEW-Hauptvorstand in Frankfurt aufgerufen hat. Der Streik ist zunächst auf eine Woche befristet. Das Ziel des Arbeitskampfes ist es, die Frankfurter Geschäftsleitung dazu zu zwingen, mit der Gewerkschaft Verhandlungen über einen Tarifvertrag aufzunehmen.

Die GEW fordert für die rund 1.100 westdeutschen und Berliner Lehrkräfte des Privatschulkonzerns einen Tarifvertrag, in dem Arbeitsverträge mit einer fest vereinbarten Arbeitszeit (für Vollbeschäftigte eine 38 -Stunden-Woche) und eine Erhöhung der Stundenvergütung um 16 Prozent festgeschrieben werden. Bisher werden die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen einseitig vom Arbeitgeber festgelegt. Die Unternehmenspraxis, flexible Lernzeiten für die Kunden, bedeutet allerdings für die LehrerInnen, so der Berliner GEW-Tarifexperte Klaus Büscher, praktisch „Arbeit auf Abruf“ und die Lohntüte jeden Monat eine Überraschung.

Die in der Muttersprache unterrichtenden AusländerInnen haben bei Berlitz Arbeitsverträge, in denen eine Verfügbarkeit für eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden festgelegt ist. In der Regel sind das 30 Unterrichtsstunden in der Woche, bei Vollzeitbeschäftigten bis zu 54 Unterrichtsstunden zu jeweils 45 Minuten. Bezahlt werden jedoch nur die tatsächlich gehaltenen Unterrichtsstunden, einen garantierten Lohn gibt es lediglich für 65 Prozent der vereinbarten Stunden. Ihren Alltag planen können die Berlitz -Mitarbeiter nicht, denn erst am Vortag um 16 Uhr erfahren die Lehrkräfte, welche Unterrichtsstunden sie am folgenden Tag tatsächlich halten müssen. „Selbst das Beschäftigungsfördergesetz schreibt für kapazitätsorientierte variable Arbeitszeiten eine Ankündigungspflicht für mindestens vier Tage im voraus vor“, sagte Büscher.

Ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit der Berlitz -Lehrer sind die niedrigen Stundenlöhne. Berufsanfänger verdienen brutto 13 Mark die Stunde, Experten nach fünfjähriger Berufserfahrung 16 Mark. Die Löhne sind seit Jahren konstant geblieben, während die Gewinne des Unternehmens Jahr für Jahr stiegen.

Ärger gibt es bei Berlitz schon lange. Seit November 1989 fanden 30 Warnstreiks statt, und Ende Februar stimmten 90 Prozent der Abstimmungsberechtigten für weitergehende Arbeitskampfmaßnahmen. Mitte März wurden alle Berlitz -Schulen zwei Tage lang bestreikt, die Geschäftsführung zeigte sich unbeeindruckt, über einen Tarifvertrag wurde nicht verhandelt. Angesichts dieser starren Haltung hat die GEW daher beschlossen, die Streiks jetzt zu intensivieren. Ilse Schaad, Mitglied des Berliner Landesvorstands, betont, daß die GEW im Interesse der Sprachschüler, die immerhin bis zu 65 Mark pro Unterrichtseinheit bezahlen müssen, mit den Mitteln des Streiks bisher sehr vorsichtig umgegangen sind. Die Hinhaltetaktik des Unternehmens habe aber die Mitarbeiter radikalisiert. „Die Bereitschaft, auch längere Arbeitskampfmaßnahmen durchzustehen, ist erheblich gestiegen“, erklärte Frau Schaad.

aku