„Männerstammtisch“ vertreibt schwulen Vize

■ Albert Eckert tritt zurück, bevor ihn die SPD-Fraktion dazu zwingen konnte / Einstweilige Verfügung gegen den CDU-Unhold fürs Grobe / AL bedauert nur und verzichtet auf Vizepräsidentenposten / SPD vergießt Krokodilstränen und benennt als Nachfolgerin Inge Frohnert

Die Schlammschlacht hat vorerst ein Ende: noch ehe weiter in seinem Privatleben herumgewühlt werden konnte, zog der neugewählte Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, Albert Eckert, die Konsequenzen aus der Schmutzkampagne der CDU gegen ihn und trat gestern offiziell von seinem Amt zurück. Am 22. März war er für die AL zum Vizepräsidenten gewählt worden, nachdem seine Amtsvorgängerin Hilde Schramm die letzte Sitzung des Parlaments vorzeitig beendet hatte und daraufhin wegen des Vorwurfs von Formfehlern zurückgetreten war. Da der CDU-Geschäftsführer Klaus Wienhold seine Anschuldigungen, Eckert habe sich als Strichjunge betätigt, bis Montag morgen 9 Uhr nicht zurückgenommen hatte, stellte Eckert einen Antrag auf einstweilige Verfügung. Wienhold erklärte die Verfügung gestern für unwirksam, da sie angeblich seiner Fraktion nicht zugestellt worden sei.

Albert Eckert teilte gestern dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Jürgen Wohlrabe (CDU), schriftlich mit, daß er entgegen dem Rat seiner Fraktion von seinem Amt zurücktrete. „Ich will meine Zeit und Energie nicht länger mit der Abwehr persönlicher Anfeindungen verbringen, die mich als Person besudeln wollen. Es gibt für mich Wichtigeres zu tun“, heißt es in dem Schreiben. Eckert erklärt weiter, er werde die Utopie eines befreiten sexuellen Umgangs gegenüber der vermufften Doppelmoral weiter aufrechterhalten und sich wieder seiner Arbeit für gesellschaftliche Randgruppen widmen.

Während die Fraktion der AL den Rücktritt mit „Bedauern zur Kenntnis“ nahm und beklagte, daß die angebliche Weltoffenheit und Toleranz der Weltstadt Berlin sich als Makulatur erwies, fand der Geschäftsführende Ausschuß der Partei schärfere Worte: Der Rücktritt Eckerts sei der „traurige Erfolg einer auf der verlogenen Doppelmoral christdemokratischer Spießer beruhenden Kampagne“ und zeige, daß sich das Parlament in seiner Mehrheit immer noch auf dem Niveau eines beliebigen Männerstammtisches befinde.

Scharf kritisiert wird vom GA auch die mangelnde Solidarität der SPD, die sich nur halbherzig hinter Eckert gestellt hatte. Der GA forderte die Fraktion auf, keinen neuen Kandidaten für das Vizepräsidentenamt aufzustellen, was diese dann auch tat. „Sie können sich bei der SPD bedanken, die uns so uneingeschränkt zur Seite stand. Einen moralisch integreren Menschen als Albert Eckert kann die AL nicht finden, wir überlassen es deswegen freudig der SPD, dieses ehrenhafte Amt zu besetzen“, so beißend ironisch AL -Sprecher Noe zur Begründung.

Die CDU nahm den Rücktritt, wie nicht anders erwartet, mit Genugtuung zur Kenntnis. Seine Wahl sei eine bedauerliche Fehleinschätzung des Parlaments gewesen, so der Geschäftsführende Fraktionsvorsitzende Dankwart Buwitt gestern. „Der von Eckert selbst eingeräumte Sachverhalt macht ihn für dieses Amt untragbar.“ Parlamentspräsident Wohlrabe wollte sich zu dem Vorfall nicht äußern. „Es ist eine ganz normale Menschlichkeit, einen Vizepräsidenten zu wählen, man sollte daraus keine Staatsaktion machen“, so Wohlrabe. Der Entscheidung Eckerts war ein Gespräch mit dem Präsidenten Jürgen Wohlrabe vorausgegangen, über dessen Inhalt sich dieser aber nicht äußern wolle.

Der Fraktionsvorsitzende des Koalitionspartners, Staffelt, bezeichnete den Rücktritt als „ehrenwerten Schritt“ und beteuerte die Wertschätzung des „Kollegen Eckert“ von seiten der SPD. Das Privatleben Eckerts habe für die SPD keine Rolle gespielt, er glaube allerdings, daß Eckert mit seiner Entscheidung eine persönliche Last genommen sei. „Für das Haus und für das Amt war es richtig, zurückzutreten, denn es erfordert ein gewisses Maß an Autorität.“ Kein Wort war von Staffelt allerdings darüber zu hören, daß die SPD-Fraktion keineswegs geschlossen hinter Eckert stand. Scharfe Kritik übte er am Vorgehen Wienholds, der zuerst „gewisse Presseorgane“ unterrichtet habe, ehe er seine Vorwürfe an Wohlrabe und ihn selbst weitergeleitet habe. „Die politischen Parteien in diesem Haus täten gut daran, sich nicht in Sexualmoral und deren Bewertung zu bewegen.“ Obwohl Staffelt das bestritt, stellt die ganze Affäre eine weitere schwere Belastung für den Fortbestand der Koalition dar. Einige AL-Fraktionäre hätten es zwar für richtig gehalten, daß Eckert nicht zurücktritt, insgesamt ist die Stimmung in der AL aber schlecht. „Beim nächsten Mal knallt's dann endgültig“ - so war es gestern übereinstimmend von mehreren Seiten zu hören.

Zur Nachfolgerin von Albert Eckert schlug die SPD-Fraktion noch gestern abend die SPD-Abgeordnete Inge Frohnert (66) vor. Die frühere Senatsrätin in der Finanzverwaltung erhielt bei der Fraktionssitzung eine breite Mehrheit und soll bereits bei der morgigen Parlamentssitzung gewählt werden. Ob die Kandidatin Inge Frohnert selbst allerdings ihrer Nominierung zustimmt, war gestern noch nicht ganz klar, weil sie sich nicht in West-Berlin aufhielt.

kd