Mut zur Häßlichkeit

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(Dort oben im Wald bei diesen Leuten, von Peter Keglevic. So., 1.4., ARD, 20.15) Ganz ohne Tatort-Fanfare und stichwortgebende Assistenten hat Günther Lamprecht seinen ersten Fall als Kommissar Franz Markowitz gelöst. Besser gesagt: Er ist in diesem Fall herumgestolpert. Aber wo sonst die Tatort-Kommissare durch ihre Fälle stolpern müssen, weil Drehbuch und Inszenierung schlampig sind, hatte dies Stolpern ästhetisches und dramaturgisches System: Der Großstadtkommissar auf seinem Weg in eine österreichische Abspeckklinik hat eine Autopanne und sitzt fest „dort oben im Wald bei diesen Leuten“, wo grade ein jugoslawischer Steinbrucharbeiter erschossen worden ist. Aber schon ehe er von diesem Mord erfährt, per Zufall, hat ihn die seltsam abweisende, wortkarge, bösartige Stimmung im Dorf befremdet

-im wahrsten Sinn des Wortes, denn er, der Fremde, der nichts begreift von der verdrucksten Art der Leute, begegnet auf Schritt und Tritt dem Haß auf alles Fremde. Ein Haß, der ihn, den Fremden, trifft, und der, hinter verhangenen Gesichtern, gegen die Jugoslawen - die „Barackler“ - wütet. Der Mörder war denn auch der Dorfgendarm, der es nicht hinnehmen wollte, daß seine Tochter den Jugoslawen Petar liebte: kaltblütig, ohne sich zu verbergen, hat er den Jugoslawen während der Hochzeitszeremonie „erlegt“. Und Markowitz, der erst zum Schluß, mehr wie durch Zufall, die Wahrheit sieht, muß obendrein begreifen, daß auch die Jugoslawen nicht das geringste Interesse haben, den Mörder zu verfolgen: Sie sind genauso feindselig und verschwiegen wie die Dörfler gegen den städtischen Kommissar.

Ein Krimi also, der auch von der „Wer-war's-warum-und-wie„ -Spannung lebt, von der so viele Krimis zehren. Doch dieser hier lebte vor allem von einer ungreifbar-bedrohlichen Stimmungsspannung. Er lebte, paradoxerweise, von der Leblosigkeit, der Stummheit, der Verlogenheit in diesem Dorf. Und von Günter Lamprecht, der mit einem enormen Mut zur Häßlichkeit den vierschrötigen, plumpen, an der Nase herumgeführten Städter spielte - in einer verlockend-schönen Landschaft, die Gernot Roll mit delikater Hinterhältigkeit als unheimliche Idylle filmte. Es wird nicht leicht sein für künftige Tatort-Krimis mit Günter Lamprecht, vor diesem finster leuchtenden Einstand zu bestehen.

Sybille Simon-Zülch