Zellenrazzien bei RAF-Gefangenen

■ Generalbundesanwalt ermittelt wegen „illegalem Info-System“

Berlin (taz) - Die Karlsruher Bundesanwaltschaft hat am vergangenen Freitag bundesweit die Zellen von 25 Gefangenen der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) durchsuchen und schriftliche Unterlagen beschlagnahmen lassen. Der Sprecher der Karlsruher Bundesanwaltschaft, Hans-Jürgen Förster, bestätigte die Aktion, die Generalbundesanwalt Kurt Rebmann veranlaßt hatte. Die Durchsuchungen standen nach seinen Worten im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren, wonach den RAF-Gefangenen die „mitgliedschaftliche Betätigung in einer terroristischen Vereinigung“ vorgeworfen wird. Sie sollen untereinander ein „illegales Info-System“ aufgebaut und unterhalten haben. Die bei den Zellenrazzien beschlagnahmten Unterlagen werden im Wiesbadener Bundeskriminalamt noch ausgewertet. Dazu wollte sich Förster gestern nicht weiter äußern.

Auslöser der Durchsuchungen soll der Fund eines „Kassibers“ in einer süddeutschen Haftanstalt bei einer regulären Zellendurchsuchung gewesen sein. Daraus hätten sich Hinweise auf die Existenz eines Info-Systems zwischen den Gefangenen ergeben. Die Bundesanwaltschaft wurde offenbar erst daraufhin eingeschaltet. Anschließend wurden in acht anderen Haftanstalten Zellen durchsucht. Dabei lag kein richterlicher Durchsuchungsbeschluß zugrunde. Als Rechtsgrundlage wurde von den Sicherheitsbehörden „Gefahr im Verzug“ angeführt. Mit dem Vorwurf der „mitgliedschaftlichen Betätigung“ hatte Rebmann zuletzt während des 10.Hungertsreiks der RAF-Gefangenen im vergangenen Frühjahr ein Verfahren gegen die Hungerstreikenden veranlaßt. Sie wurden allesamt bis zum Sommer '89 eingestellt. Der jetzt erhobene Vorwurf der „Betätigung“ in einer terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129a , der sich den verschiedenen Berichten zufolge ausschließlich auf den Aufbau und Unterhalt eines Informationsnetztes unter den Gefangenen stützt, läßt sich rechtlich nur unter der Prämisse aufrechterhalten, daß innerhalb der Gefängnisse eine eigenständige terroristische Vereinigung existiert. Ein Urteil in diese Richtung hat es bislang aber noch nicht gegeben. Mitte und Ende der siebziger Jahre wurden gleichwohl mehrere Rechtsanwälte der RAF-Gefangenen zu Freiheitstrafen verurteilt, weil die Gefangenen über ihre Kanzleien kommuniziert haben sollen.

Wolfgang Gast