Kabinett ohne festgelegten Kurs

■ Bonn will erst mit DDR-Regierung sprechen / Fink für 1:1 / CDU-Fraktion distanziert sich nicht von 2:1

Berlin (taz/dpa) - Das Bundeskabinett hat gestern zwar den Umstellungskurs für Betriebsschulden, Sparguthaben und Einkommen beraten, will sich aber erst nach Gesprächen mit der neuen DDR-Regierung festlegen. Regierungssprecher Klein sagte, es sei „keine denkbare Umtauschrate“ genannt worden und unterstrich erneut, daß die Währungsunion im Sommer kommen solle.

Die Umstellung von Großsparguthaben von „Stasi- und SED -Günstlingen“ auf 1:1 müsse verhindert werden - damit begründete Friedrich Bohl, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, warum die konservativen ParlamentarierInnen keinen generellen 1:1 -Umtausch bei Sparguthaben wollen. In Bonn waren zuvor Gerüchte kursiert, nach denen die Fraktion sich vom 2:1 -Vorschlag der Bundesbank distanzieren könnte. Bohl zufolge fordert die Fraktion von der Regierung nun ein ökonomisch vernünftiges und sozial verantwortliches Einkommen; der Kurs müsse aber auch zukunftssichere Arbeitsplätze zulassen.

Der Vorsitzende der CDU-Sozialschüsse, Ulf Fink, sprach sich hingegen für eine Umstellung gleich zu gleich aus. Dies sei besser als eine Reihe von Zuschlägen. „Schlicht für eine Illusion“ hält Lutz Hoffmann, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in West-Berlin, den Kurs von 2:1. Wenn die DDR-Bürger nicht am Rande des Existenzminimums leben sollten, müßte ein Ausgleich gezahlt werden, so daß „im Endergebnis doch wieder ein Verhältnis von 1:1“ herauskomme, sagte Hoffmann der 'Zeit‘. Er räumte ein, daß dieser Kurs den DDR-Betrieben enorme Probleme bringen würde. Die Zahl der Arbeitslosen werde nicht unter einer Million bleiben. Zur Finanzierung der Unterstützungszahlungen plädierte Hoffmann auf Erhöhungen der Lohn- und Einkommenssteuern, „auch wenn dies bitter für die Bundesregierung ist, die ja gerade erst eine Steuersenkung umgesetzt hat.“

diba