Parlamentarier im Theater

Die Demokratie zieht sich zur Beratung zurück  ■ K O M M E N T A R E

Um sich in der 30minütigen Pause vor der Stichwahl zum Volkskammerpräsidenten als Fraktion über das Vorgehen abzustimmen, mußte sich die CDU ins Theater im Palast zurückziehen. Der Vorgang entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Wir DDR-Deutschen können wahrlich stolz auf unser neues Parlament sein: Die Entscheidungen werden hinter verschlossenen Türen fallen. Jede Koalitionssitzung, an der ja voraussichtlich fünf Parteien teilhaben, wird eine kleine Parlamentsdebatte, natürlich ohne Öffentlichkeit. Wir bleiben als Fernsehzuschauer nur Beobachter eines Demokratietheaters.

Schon mit der ersten Sitzung haben die Parlamentarier von links nach rechts bewiesen, wie schwer sie konsensfähig sind. Nach dem verbitterten Gegeneinander des Wahlkampfes hätte die neue Kammer zu Beginn ihrer Legislaturperiode ein Zeichen setzen können, ein Zeichen gegenseitiger Achtung und Toleranz, eine nachträgliche, der Polarisierung des Wahlergebnisses entgegenwirkende Anerkennung demokratischen Engagements der vergangenen Wochen, oder auch nur ein Zeichen von Kompromißbereitschaft. Zumal das Amt des Volkskammerpräsidenten nicht der Nabel der Macht und durch die neu eingerichteten Stellvertreterämter streng paritätisch kontrollierbar ist.

Stattdessen begann die neue Parlamentsära mit einer Kraftprobe. Gleich fünf Kandidaten standen zur Wahl und jede Fraktion beharrte auf ihrem Monopolanspruch, daß der Kandidat der geeignetste sei. „Fraktionsdisziplin über alles!“ oder „Wenn schon die Macht, dann die ganze!“, heißt die Maxime. Es ist anzunehmen, daß jede weitere Debatte von der Profilierung gegeneinander geprägt sein wird: Die große Koalition untereinander, die Opposition gegen die Regierung, dazu die mehrheitliche Abneigung gegen die PDS.

Wie gut uns das tut: Die Demokratie zieht sich zur Beratung ins Theater im Palast zurück.

Thomas Bittner