„Vielleicht ist auch ein Generalstreik angebracht“

DDR-Gewerkschafter Ralf Schriever über die Proteste gegen die 2:1-Umstellung und die Diskussion um Kampfmaßnahmen auf der Neptun-Werft in Rostock  ■ I N T E R V I E W

Ralf Schriever ist stellvertretender Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) der Neptun-Werft in Rostock, dem Stammbetrieb des Kombinats Schiffbau, und Mitglied der IG Metall. Die Werft hat 8.300 Beschäftigte; die BGL ist Mitte März gewählt worden. Die Werften gelten zumindest für Bundeswirtschaftsminister Haussmann als der unproduktivste Industriesektor der DDR überhaupt.

taz: Wie hat bei Ihnen die Belegschaft auf die 2:1 -Diskussion reagiert?

Ralf Schriever: Zum Großteil negativ. Wir hatten am Dienstag eine Gewerkschaftsaktivtagung, und wir sind uns einig geworden, daß wir uns am Donnerstag im Stadtzentrum zu einer Aktionsveranstaltung einfinden werden.

Wieviel Prozent Ihrer Belegschaft wird sich dazu einfinden?

Das ist schwer zu sagen, weil es die erste eigenständige Aktion der IG Metall der DDR ist.

Sind Sie schon bei der Kombinatsleitung vorstellig geworden, um durch Lohnforderungen vorab die 2:1-Umstellung zu umgehen?

So konkret nicht. Wir hoffen, daß sich die Politiker in Ost und West an ihr Wahlversprechen erinnern und bei uns keinen sozialen Notstand aufkommen lassen, so daß wir nicht zu größeren Kampfmaßnahmen greifen müssen. Sollten aber diese Versprechungen nicht eingehalten werden, glaube ich nicht, daß unsere Werftarbeiter zufrieden sein werden. Da müssen wir uns dann doch etwas anderes einfallen lassen.

Was ist darunter zu verstehen?

Warnstreiks sind möglich. Vielleicht ist auch ein Generalstreik angebracht. Wir haben ja auch nichts, womit wir der Belegschaft ihre Angst nehmen können. Und auch unser Betriebsdirektor ist hier nicht der kompetente Mann, da sind die Politiker gefragt.

Im Grunde genommen scheint derzeit in den Belegschaften weniger der Zorn vorzuwiegen, sondern die Angst und die Hoffnung, daß es die Politiker wieder richten werden...

Viel Zutrauen in die Politik ist bei uns eigentlich nicht mehr vorhanden. Unter der Belegschaft ist schon der Eindruck da, daß sie etwas tun müssen, um die Regierung zum Handeln zu zwingen.

Ist auch bei der Gewerkschaftsaktivtagung über Warn- und Generalstreiks gesprochen worden?

Ja, da wurden aus der Belegschaft sogar ganz konkrete Kampfmaßnahmen vorgeschlagen, wie Warnstreiks zum Beispiel. Und die IG Metall hat ja bereits angekündigt, daß auch ein Generalstreik denkbar ist.

Gegen wen streiken Sie dann eigentlich?

Dann eigentlich... (lacht) ich will den Namen Kohl hier nicht nennen... wir streiken gegen diejenigen, die uns vordiktieren, wie wir zu einer vernünftigen Einigung kommen können.

Das hat zur Folge, daß Sie der Maiziere-Regierung den Rücken stärken.

Das müßten wir dann ja wohl tun, wenn die CDU-Regierung in dieser Frage auch in Zukunft mit uns einer Meinung ist. Ich glaube auch nicht, daß ein Kompromiß für uns infrage käme. Wir würden auch dann zu Kampfmaßnahmen greifen.

Wer entscheidet das? Und wird es in der Belegschaft über die Frage des Generalstreiks zu Auseinandersetzungen kommen?

Entscheiden wird das die IG Metall. Zu Auseinandersetzungen wird es kommen, weil es für uns das erste Mal sein wird, daß wir überhaupt zu solchen Maßnahmen greifen müssen. Für viele wird das ungewohnt sein. Deshalb werden wir mit der Belegschaft Gespräche führen müssen.

Das Interview führte Dietmar Bartz