Kein Paragraph - kein Geld

■ Kriz: Auch über 18jährige müssen betreut werden, wenn sie ihr Leben noch nicht allein meistern

Um nach dem Bundessozialhilfe gesetz oder dem Jugendhilfegesetz Anspruch auf sozialarbeiterische Betreuung zu haben, müssen Jugendliche entweder unter 18 Jahre alt oder behindert sein. So sieht es das Gesetz. Viele dieser Jugendlichen sind aber mit 18 Jahren noch nicht so weit, ihr Leben allein zu meistern. Hilfe bekommen sie dann aber nur in Einrichtungen für Behinderte - für ihre Entwicklung zur Selbständigkeit nicht unbedingt förderlich.

Der Verein Kriz, Zentrum für Krisenintervention und Familienhilfe e.V. hat seit über zwei Jahren insgesamt knapp 20 Jugendliche betreut. Für die acht Jugendli

chen zwischen 16 und 17 Jahren ist eine feste Kraft angestellt, die über Pflegesätze vom Jugendamt finanziert wird. Drei weitere MitarbeiterInnen (finanziert über das Bundessozialhilfegesetz und Arbeitsamtsmittel) übernahmen zwei Jahre lang die über 18jährigen „mit Lernbehinderungen, sozialen Defiziten, Lese-und Schreibschwächen“.

Schon im Dezember 1988 wurde ein Pflegegeldantrag gestellt, um die weitere Betreuung sicherzustellen. Inzwischen sind die Stellen ausgelaufen und es ist immer noch kein Geld in Sicht: Die BehördenvertreterInnen sind sich noch nicht einig, welcher Paragraph - der für Behinderte

oder der für soziale Problemfälle - bemüht werden soll. Währenddessen arbeiten die drei Sozialarbeiterinnen weiter ehrenamtlich und aus Verantwortungsgefühl. Schon mehrfach hat sich die Behörde zustimmend zu dem neuen Betreungsangebot geäußert.

Warum sind trotzdem zwei Jahre verstrichen, ohne die finanzielle Förderung auf sichere Beine zu stellen? Karl -Heinz Klingebiel vom Jugendamt bestätigte auf telefonische Anfrage, daß unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Behörde und zudem ein umfangreicher Personalwechsel den Prozeß verschleppt haben. Ein neues Betreu

ungsangebot braucht nach Ansicht der Behörde außerdem ein differenziertes und umfangreiches Konzept, das auch mit anderen Trägern abgesprochen sein müsse. Die sind nicht durchweg begeistert von der neuen Konkurrenz. „Aber“, so Klingebiel, „am kommenden Montag ist das Thema Hauptprogrammpunkt auf unserer Zielgruppenkonferenz. Ich bin zuversichtlich, daß wir noch diesen Monat zu einer Entscheidung kommen werden.“

Ulrike Kirchner, Vereinsvorsitzende, wagt es noch nicht, diese Zuversicht zu teilen: „Das haben wir schon zu oft gehört,“ sagt sie.

bea