Noch wird die Wärme übers Fenster reguliert

■ Der umweltpolitische Sprecher der Ostberliner SPD, Clemens Thurmann, im Gespräch mit der taz über die Riesenaufgaben im Politikfeld Ökologie und Großstadt / Die Schwerpunkte: Energiesparen, Verkehr und Müll / Ost-SPD gegen neue Stadtautobahnen

Daß er nach den Kommunalwahlen am 6. Mai als Stadtrat im Magistrat sitzen wird, ist sicher. Welchem Ressort er vorstehen wird, kann Clemens Thurmann dagegen noch nicht genau sagen: Vielleicht wird er Stadtrat für Umwelt, vielleicht auch Leiter des Amtes für Regionalentwicklung, das aus der ehemaligen Bezirksplankommission hervorgegangen ist. Heute ist Thurmann, studierter Mathematiker und promovierter Geograph, lediglich umweltpolitischer Sprecher der Ostberliner SPD.

Wohin ihn die Partei nach den Kommunalwahlen auch rufen mag: Eins gilt Thurmann als sicher. Eine volle Wahlperiode von vier Jahren wird er wohl nicht im Amt bleiben. Spätestens nach zwei Jahren werden wohl Gesamtberliner Wahlen für einen Wechsel sorgen. Auf „Schwerpunkte“ will sich Thurmann deshalb konzentrieren, sobald er in der Stadtregierung sitzt. Am Sonntag verabschiedete der Bezirksparteirat der Ostberliner SPD „Leitsätze für ein Umweltprogramm“. „Das Programm wurde in Gemeinschaftsarbeit mit dem entsprechenden Fachausschuß der Westberliner SPD erarbeitet“, erläutert der Ostberliner Sozialdemokrat. Umweltschutz sei künftig ohnehin nur auf Gesamtberliner Ebene möglich.

Deshalb will die Ost-SPD auch einige West-Ideen übernehmen: „Schrittweise“ will Thurmann zum Beispiel Tempo 30 auch in Ost-Berlin einführen. Vor allem die Altbaugebiete in der Innenstadt sollen in den Genuß des Tempolimits kommen. Die Wohnstraßen der Neubauviertel am Stadtrand seien ja jetzt schon mit den 30-Schildern ausgestattet. Fast schon Bauchschmerzen bei den SPD-Fachleuten aus dem Westen hat die Ost-SPD mit einem anderen Programmpunkt ausgelöst: Die „schnellstmögliche Beseitigung baulicher Engstellen“ im Straßennetz. Das mutete den West-Sozis fast schon zu autofreundlich an. Gemeint sei lediglich, beruhigt Thurmann, daß Baustellen so rasch wie möglich wieder verschwinden sollten. Zweitakter sorgten im Stau nun mal für eine „erhöhte Umweltbelastung“. Den Ausbau von Straßen will der Ost-Sozi „nur im Einzelfall“ zulassen, etwa im Fall der Fernstraße 1 Richtung Frankfurt/Oder, die hinter Mahlsdorf auf vier Spuren verbreitert werden könnte. Sobald die Mauer fällt, will die Ost-SPD - im Einklang mit dem Westberliner Verkehrssenator - alle durch die Mauer getrennten Straßen wieder zusammenfügen und für den Autoverkehr freigeben. Sie erhofft sich davon ein „Entzerrung“ des Verkehrs, der sich jetzt an den wenigen Grenzübergängen drängelt. Eine Weiterführung der Westberliner Stadtautobahn durch Neukölln nach Treptow sei aber „nicht nötig“, bremst Thurmann die Autobahneuphoriker im Senat.

Eine DDR-Errungenschaft möchte die SPD auch in den Westen exportieren: Die SERO-Läden, in denen Bürger Altstoffe fast aller Art zwecks Recycling abgeben können. Zunächst müßte es allerdings gelingen, den Schwund von SERO-Stellen in Ost -Berlin zu stoppen, räumt Thurmann ein. Seit die Subventionen für Altstoffe weggefallen sind, konnten einige Altstoffsammler nämlich nicht mehr rentabel wirtschaften. Ebenfalls auch den Westberliner zugute kommen wird es, wenn es der Ost-SPD im Magistrat gelingt, das smogträchtige Braunkohlebrikett aus den Heizungen in den Haushalten der Ostberliner Innenstadt zu verdrängen. Fernwärme - möglichst im Verbund mit dem Westen - schlägt die SPD als Alternative vor. Die beschränkten Erdgasmengen wollen die Sozialdemokraten dagegen den Neubaugebieten am Stadtrand vorbehalten.

Energiesparen will Thurmann groß schreiben - rechnet aber mit Problemen bei der Umsetzung. Weil die Wärme praktisch zum Nulltarif in die Wohnung kommt und keine Einzelabrechnung stattfindet, läuft in den Neubauwohnungen heutzutage „die Wärmeregulierung über das Fenster“. Der Einbau von Ventilen hilft erst mal nicht weiter, weil das Rohrsystem zu einfach ausgelegt ist: Würde nämlich ein Mieter seine Heizung abdrehen, käme damit auch die Zufuhr in den Stockwerken darüber zum Erliegen. Zunächst, so Thurmann, müßte in den Wohnhochhäusern also ein zweites Rohrsystem verlegt werden.

Der in den Augen von Thurmann „wichtigste Punkt des Umweltprogramms: Betriebe in West-Berlin sollten Anreize erhalten, in Ostberliner Industrieanlagen in den Umweltschutz zu investieren. Sie könnten zum Ausgleich von Sanierungsmaßnahmen im eigenen Betrieb im Westen freigestellt werden. Der „Nutzen für uns alle sei schließlich dort am größten, wo relativ rasch relativ große Schadstoffemissionen durch Filter oder ähnliches aufgefangen werden könnten. Da sei es „wesentlich effektiver“, den riesigen Nachholbedarf in Ost-Berlin zu beseitigen, als mit großem Aufwand den bereits reduzierten Schadstoffausstoß in Westberliner Anlagen noch weiter Richtung Nullpunkt zu drücken, argumentiert Thurmann.

hmt