Gediegener Macho nicht mehr gefragt

■ Sechsteilige Burt-Reynolds-Spielfilmreihe startet mit „Ein ausgekochtes Schlitzohr“, 20.15 Uhr, ARD

Der Philipino am Ende des Korridors zückt sein Messer. Durch die ganze Stadt hat Pat Morrison (Burt Reynolds) den Flüchtenden gejagt. Durch ein Labyrinth von Gemüseständen, Hinterhöfen und Hahnenkampf-Arenen. Jetzt sitzt der finstere Unterweltler in der Falle. Doch Burt, völlig außer Atem, hat keine Waffe...

Glücklicherweise ist der Korridor gut gebohnert. Der versierte Stuntman Reynolds, damals noch kein Toupetträger, nimmt fürchterlichen Anlauf, läßt sich über die Schulter abrollen, rutscht den Gang auf dem Rücken entlang und tritt das kleine Männchen mit den Füßen voran samt Türfüllung durch die Wand. Trotzdem kann der drahtige Hänfling entkommen...

Mit „Impasse“, einer auf Action getrimmten, in exotischem Milieu angesiedelten Abenteuergeschichte von 1968, die die ARD am 5.5. als deutsche Erstaufführung sendet, absolvierte der 33jährige Burt Reynolds eine seiner ersten Hauptrollen, die dem bisherigen Fernsehdarsteller für stumme Indianerrollen jedoch längst nicht zum Durchbruch verhalf. „Sicher, der Kerl kann rennen“, sagten die Produzenten über den Ex-Footballstar, der ungedoubelt eine ganze Reihe halsbrecherischer Verfolgungsjagden präsentierte, „aber wir wissen nicht, ob er auch spielen kann.“

Eine Frage, die Reynolds auf seine Art löste: Als 'Cosmopolitan‘ im April 1972 auf der Suche nach dem „perfekten Mann“ Reynolds splitternackt auf einem Ausklappbild präsentierte, dauerte es nicht mehr lange, bis er sich in einschlägigen Action-Komödien als Darsteller aggressiver Männlichkeit wiederfand. Aus diesem Zyklus stammt der eilige Flaschbier-Transport „Ein ausgekochtes Schlitzohr“, mit dem die Reihe heute startet.

Startpunkt seiner schauspielerischen Laufbahn war ein Autounfall, der 1954 seine Football-Karriere beendete und Burt auf den Pfad der Muße führte. „Ich erinnere mich lebhaft, wie Buddy's tiefbraune Augen funkelten, als wir Shakespeare studierten“, erinnert sich Reynolds Highschool -Lehrer Watson Duncan. „Ich sah unkanalisierte Emotionen und wußte sofort, daß er Schauspieler werden würde.“ Zum Vorsprechen animiert, murmelte er zwei Worte. Als er beim Dritten zögerte, rief der Regisseur: „Gut, Sie haben die Rolle.“ Reynolds debutierte als sensibler Alkoholiker in „Outward Bound“, wurde nach zwei, drei weiteren Hauptrollen einem New Yorker Agenten empfohlen und kam nach etlichen Fernsehrollen zum Film, wo er sich oder in stunt-ähnlichen Rollen in Spaghettiwestern durchschlug.

Mit seiner behäbigen Selbstgenügsamkeit verkörperte der markige Frauentyp mit dem indianischen Einschlag in den 70ern neben Eastwood und Bronson den Prototy des vermeintlichen Außenseiters. So stützt er sich in seinem von Fernsehserien inspirierten Regiedebut „Mein Name ist Gator“ von 1975 (am 2.6.) stark auf das Westernmotiv des Gesetzlosen als legitimen Repräsentanten des Gesetzes. Unter dem Druck der Polizei bekämpft er hier als Exhäftling einen Schwerverbrecher, der einst sein Freund war. „Rent-A-Cop“ von 1987 (am 19.5.) ist dagegen ein solider, amüsanter, in den Details liebevoll inszenierter Cop-Thriller um Drogen und Korruption. Als die Luxus-Prostituierte Della (Liza Minelli) während einer Razzia Zeugin eines Massakers wird, kann nur noch der Expolizist Church (B.Reynolds) sie vor dem psychopathischen Killer des hiesigen Mafioso retten.

Mit diesen heiteren Stereotypen ist das Spektrum des 1936 als Sohn einer Krankenschwester und eines Ex-Cowboys geborenen Aufsteigertypen keineswegs abgedeckt. Bereits Ende der 60er zeigte er in „Hawks“, einer prime-time TV-Serie, darstellerische Sensibilität, die ihm neben seinem Hau-Ruck -Stil auch anspruchsvollere Filmangebote sicherte. John Boormans „Deliverance“ (1972) wurde sein erster künstlerischer Erfolg.

Reynolds ist ein humorvoller Selbstdarsteller mit der Fähigkeit zur Selbtkarikatur: „Meine Filme werden am liebsten in Gefängnissen und Flugzeugen gezeigt, weil die Leute da nicht wegrennen können.“ Entgegen der rauhbeinigen Überzeugungskraft des schießwütigen Sunnyboys mit Goldkettchen mimte er 1979 in „Auf ein Neues“ (am 20.4.) den gescheiterten Durchschnittstypen Phil Potter, der von seiner Frau verlassen wird, die ihn gemeinerweise noch mit seinem Chef betrügt.

Unter der Oberfläche eines beschaulichen Midlifecrisis -Melodrams entlarvt „Klute„-Regisseur Alan J.Pakula hier mit analytischer Strenge das Panoptikum eines nicht immer subtil ausgefochtenen Geschlechterkampfes. Gekonnt changiert Reynolds ohne großen mimischen und gestischen Aufwand glaubwürdig zwischen dem angeknacksten Beziehungsopfer und dem Lieferanten für ironische, entlarvende Anti-Psycho -Sprüche. - Marylin: „Ich habe deine Unsensibilität noch gar nicht bemerkt.“ Phil: „Meine stärkste Seite.“

Seit das Publikum eher auf blutleere Teeniestars wie Tum Cruise und Patrick Swayze steht, sind die Tage des gediegenen Machos gezählt. Eine Reihe von Gerüchten, Reynolds wäre homo- oder bisexuell und - nach einem Kinnhaken von Clint Eastwood - gar aidsinfiziert, sowie eine Reihe von Flops haben ihn ins Privatleben zurückgedrängt. Seit der Adoption seines Sohnes im Septembner 1988 genießt der 54jährige mit seiner Frau das traute Familienleben.

Manfred Riepe