Das „Gerbeaud“ wird privatisiert

Ein deutsch-ungarisches Joint-venture um eine weltberühmte Bäckerei erregt die Gemüter in Budapest  ■  Aus Budapest Tibor Fenyi

Die weltberühmte Konditorei „Gerbeaud“ ist ins Gerede gekommen. Bisher war das hundertjährige Gebäude in der Budapester City Begegnungsort für alte Freunde und Rendez -vous-Platz der Verliebten. Heute jedoch betrachten die Budapester verdutzt das Haus: Angesichts einer mehr als unklaren „Privatisierung“ fragen sie sich, wie lange man noch versuchen wird, Staatseigentum umtriebigen Ausländern und nicht ganz astreinen Ungarn in die Hände zu spielen.

Ihren Anfang nahm die Geschichte in den früher 50er Jahren, als die Konditorei der aus der Schweiz stammenden, mehr als hundert Jahre in Budapest ansässigen Familie Gerbeaud samt dem Gebäude verstaatlicht wurde. Die Gerbeauds setzten sich auf der Flucht vor den Kommunisten nach Südamerika ab. Der Süßwarentempel wurde umgetauft, heißt nun „Vörösmarty“, ist aber weiterhin das exklusivste, „auch dem Proletariat offenstehende Lokal der Konditorbranche“. In den höheren Stockwerken wurden verschiedene Firmen untergebracht, so auch ein „Unternehmen für Getreidevertrieb“, das das Gebäude verwalten soll.

Im Januar dieses Jahres wurde nun Ludwig Stoffel in Vertretung einer „G.S.B. Betriebs- und Beteiligungs GmbH“ aus dem bayerischen Straubing in Budapest vorstellig, um der Getreidefirma ein „Bombengeschäft“ vorzuschlagen. Mit einem Grundkapital von nur fünf Millionen Forint (nicht einmal 100.000 DM) solle ein Joint-venture gegründet werden, an dem sich Ungarn und Deutsche zu je 50 Prozent beteiligen. Ziel: aus dem Haus ein Luxushotel zu machen. Bedenklich wurde die Angelegenheit, weil die ungarische Firma das Eigentumsrecht des Gebäudes mit einem Wert von fast zwei Milliarden Forint (400 Millionen Dm) als „wertlose Ergänzungsleistung“ eingebracht hat, sodaß die G.S.B. für zweieinhalb Millionen Forint Einsatz sofort über eine Milliarde verfügt. Erreicht hat der deutsche Partner den plötzlichen Wertzuwachs dadurch, daß er einen Kredit in Höhe von 1,6 Milliarden Forint vermittelt; zurückgezahlt wird aus dem Gewinn des Hotels zu gleichen Teilen. Um es der Straubinger Firma aber leichter zu machen, beschränken sich die Ungarn auf 25 Prozent des Profits.

„All das erreicht einen Grad an Absurdität, den man kaum noch als Gutmütigkeit, die aus Ahnungslosigkeit resultiert, bezeichnen kann“, erklärt Alajos Dornbach, Rechtsberater des Bundes Freier Demokraten (SzDSz). Die Partei hat bereits Anzeige erstattet. Dornbach: „Wir befürworten natürlich die Einbeziehung ausländischen Kapitals und den vernünftigen Verkauf staatlichen Eigentums. Das kann jedoch nicht heißen, daß wir die Augen zudrücken, wenn es offensichtlich um Betrug geht.“ Es sei ein Rechtsbruch entstanden, meint die SzDSz-Führung, wenn der Überwacher des staatlichen Eigentums die Eigentumsrechte einer GmbH zugeschanzt hat. Außerdem sei das Gebäude nicht in offener Ausschreibung, sondern durch eine geheime Vereinbarungen „verschoben“ worden.

„Wenn wir derartige Aktionen verhindern, verteidigen wir zum einen die Interessen des Landes, zum anderen auch die Investoren aus dem Westen. Wir möchten nämlich erreichen, daß das mit korrekten Methoden arbeitende Kapital im Zuge der Reprivatisierung von Milliardenwerten nicht durch üble Gestalten im Westen gekapert wird“, erklärte Ja'nos Kis, Vorsitzender der Freien Demokraten. In naher Zukunft werde ein beträchtlicher Teil des Volksvermögens in Privathand übergehen; „nichts wird jedoch zu ermäßigten Preisen beziehungsweise an Piraten verkauft“.